Rezension

EIne unbedingte Leseempfehlung

Die verlorene Generation -

Die verlorene Generation
von Christian Hardinghaus

Bewertet mit 5 Sternen

Wie wir es von Autor und Historiker Christian Hardinghaus gewöhnt sind, hat er für dieses, sein drittes Buch, über die Generation, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, die letzten noch lebenden Zeitzeugen aufgesucht und zahlreiche Interviews geführt. „Oral History“ ist das Schlagwort dazu, denn der Autor lässt die Zeitzeugen erzählen. Gleichzeitig werden diese Berichte in den historischen Kontext eingebettet.

 

Nach „Verdammte Generation“ und „Verratene Generation“ widmet sich der Autor jenen Männern, die noch als Schüler zuerst als Flakhelfer und dann als Infanteristen an die Front geschickt wurden. Wir, die seit Jahrzehnten in Frieden leben (und den manchmal gar nicht so richtig zu schätzen wissen) dürfen an den Gedanken, Ängsten und Sorgen der jungen Männer teilhaben, denen das NS-Unrechtsregime die Jugendjahre gestohlen hat.

 

Jede Geschichte enthält biografische Daten wie Geburtsdatum, Herkunft und Elternhaus. Vor allem das Elternhaus prägt die jungen Soldaten, sei es, dass sie aus tief religiösen, christlichem oder humanistischen Elternhaus stammen oder, dass ein Vater doch bei der SS war. Anschließend lässt Christian Hardinghaus die betagten Männer erzählen. Die furchtbaren Ereignisse kommen wieder aus dem Inneren hervor und lassen den einen oder anderen in Tränen ausbrechen.

 

Anfangs sehen die Halbwüchsigen ihre Aufnahme in die Hitlerjugend durchaus positiv. Sie scheinen an den sportlichen Veranstaltungen Gefallen zu finden, ahnen aber nicht, dass sie so spielerisch zu Soldaten ausgebildet werden sollen. Mit Fortdauer des Krieges ändert sich einiges und die jungen Burschen werden oft nach nur wenigen Wochen als Kanonenfutter an die Front geschickt. Sie sehen ihre Klassenkameraden sterben und erleiden selbst schwere Verletzungen. Die seelischen Verletzungen werden bei manchen bis heute nicht geheilt sein.

 

Wir Nachgeborenen dürfen uns nicht vom Wissen von heute verleiten lassen, diese Kindersoldaten zu verdammen. Der anfängliche Enthusiasmus verschwindet recht bald. Sie kämpfen um das eigene Überleben und sind heute oft erschrocken über ihren jugendlichen Überschwang von damals. Aber, ihnen ist ja eingetrichtert worden, die „Heimat zu verteidigen“. Das darf man nicht vergessen.

 

Jedem der 13 ehemaligen Flakhelfern stellt Christian Hardinghaus die Frage, was sie von der Vernichtung der Juden gewusst haben. Unisono berichten die Männer, dass zwar wussten, dass Juden im Deutschen Reich unerwünscht waren und umgesiedelt wurden. Von der Massenvernichtung haben sie erst nach dem Krieg erfahren, was durchaus glaubwürdig wirkt.

 

Fazit:

Ein aufwühlendes Buch, das von mir 5 Sterne erhält und die Leser die dringende Empfehlung, es zu lesen und, wenn es noch Verwandte gibt, die diese Gräuel miterlebt haben, einfühlsam zu befragen. Einige warten darauf, sich ihre Last von der Seele reden können.

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 18. Oktober 2021 um 20:45

Alleine das Cover ist schon .... mehr als bewegend. Eine sehr gute Rezension und die Reihe der Bücher über die NS-Zeit des Autors und Historikers Hardinghaus stehen bei mir auch noch "auf dem Leseprogramm". Viele Grüße!