Rezension

Erinnert an die Fahrt der Titanic ...

Die Stille vor dem Tod - Cody McFadyen

Die Stille vor dem Tod
von Cody Mcfadyen

Smoky wird zu einem Tatort gelockt, gemeinsam mit ihrem Team, wo ihr Name blutig an die Wand geschrieben wurde. Ein Massenmord von mehreren Familien, alle wohnhaft in dem selben idyllischen Viertel. Wird Smoky auch dieses Rätsel lösen können?

Endlich!, war wohl mein erster Gedanke, der sich einstellte, sobald ich die Ankündigung eines neuen Falls von Smoky und ihrem Team las. Endlich geht es weiter. Wir - die Fans seiner vorherigen vier Bücher - haben geduldig ausgeharrt. Und nun wurde die Geduld belohnt. Vorfreude stellte sich ein, die jedenfalls ich kaum zügeln konnte. Ich liebte Smoky und ihr FBI-Team und hatte die Hoffnung bald aufgegeben, jemals wieder etwas von ihren Fällen lesen zu können.

So war die Freude umso größer als ich den fünften Band der Reihe endlich in den Händen hielt und die ersten Seiten genau so anmuteten, wie ich es von Cody gewöhnt war. Schockierend, direkt und analytisch und natürlich blutig. Wer Cody kennt und seine unverblümte Art zu schreiben schätzt, der dürfte sich auf den ersten Seiten ganz zuhause fühlen. So wie ich. Innerlich jubilierte ich. Smoky, James, Alan und Callie wie sie leibten und lebten. Ich stellte mich auf ein furioses Ermittlungsabenteuer ein, in dem immer eine latente Gefahr für die Mitglieder des Teams herrscht, die mich zusätzlich an die Seiten fesselt.
Nur leider kollidierte der Plot nicht lange nach dem die Leinen gelöst worden waren und die Geschichte eigentlich an Fahrt aufnehmen sollte mit einem Eisberg und begann wie die Titanic nach einem großen, unerwarteten Knall rettungslos unterzugehen.
Doch beginnen wir einfach mit dem Spannungsbogen. Etwa nach den ersten fünfzig Seiten habe ich gespürt, dass Cody das Buch diesmal anders angehen wollte. Gut und schön, es ist sein Recht, sich nach all den Jahren und den bestandenen Fällen zu verändern, dachte ich. Solange er mich mitnimmt beim Umsteigen auf den anderen Zug.
Doch leider habe ich den Zug verpasst, in den der Autor offensichtlich gestiegen ist. Anders kann ich es mir nicht erklären. Denn der Spannungsbogen folgt der Titanic nach den ersten fünfzig Seiten in 3000 Meter Tiefe und hat zu tun, sich zum Ende hin überhaupt wieder der Oberfläche zu nähren. Das, was eigentlich spannungsgeladene Ereignis gewesen wären, wurde in nüchternen Zeitungsartikeln abgehandelt oder nacherzählt. Ich kann dem Autor soweit folgen, als dass er die Artikel als stilistisches Mittel anwenden wollte. Doch zu mir ist das Mittel leider nicht durchgedrungen. Erst im letzten Drittel kommt es wieder zur altbekannten Ermittlungsarbeit (wie man sich doch über die kleinen Dinge wie ein Whiteboard freuen kann …).
Viel eher wurde der Fokus auf das Seelenleben von Smoky gelegt, ohne jetzt zu viel verraten zu wollen und viel Mühe und Zeit in ihre Träume investiert, was mich nach dem zweiten Traum - ich traue es mich kaum zu schreiben - ehr gelangweilt als neue Informationen gegeben hat. Somit wurde insbesondere der Mittelteil für mich zu einer wahren Geduldsprobe, über die mich nur die Neugier auf den Verbleib des ein oder anderen Protagonisten hinweg trösten konnte.
Das einzige, was mich um der Wahrheit Genüge zu tun, halbwegs bei Laune gehalten hat, waren die Ereignisse rund um James. Er ist über alle Bücher hinweg mein Lieblingscharakter geworden und in diesem Buch hat der Autor das ein oder andere persönliche Detail über ihn Preis gegeben, was mich gefreut hat.
Stilistisch ist Cody für mein Verständnis ein wenig zu weit gegangen, zu überbordend geworden, sodass das knackige, spannende seiner bisherigen Sprache etwas auf der Strecke blieb. An manchen Stellen.

Am Ende bleiben sehr viele Fragen ungeklärt. Natürlich soll es immer noch Raum für eine Fortsetzung geben, doch so manche Detailfragen hätte ich schon recht gerne noch einmal aufgegriffen gehabt. Es ist ein offenes Ende, dass leider nicht durch atemlose Spannung brilliert. Die Titanic wurde leider (noch?) nicht gehoben, deshalb fällt mir umso schwerer, ein endgültiges Urteil in Sterne zu kleiden.
Der Plot war durchaus klug und ein paar Details haben mich trotz des schwachen Endes überrascht die Braue heben lassen. Zudem hat mich James’ Präsenz überrascht und gefreut - trotzdem. Das Buch hatte für mich nicht die Spannung, die einen grandiosen Thriller ausmachen, der einen solange an die Seiten fesselt, bis man das letzte Wort gelesen hat, sondern hat mich über weite Strecken enttäuscht. Deshalb vergebe ich schwache 3 Sterne und hoffe, dass man für das nächste Buch kein „ABC des Traumdeutens“ mehr benötigt.