Rezension

Erschreckend, aber wichtiges Kapitel der Geschichte Amerikas

Die Nickel Boys - Colson Whitehead

Die Nickel Boys
von Colson Whitehead

Bewertet mit 4 Sternen

Der Protagonist Elwood wuchs bei seiner Oma nach den Grundsätzen einer strengen Moral auf. Als Dunkelhäutiger bleibt ihm jegliche Form qualifizierter Bildung verwehrt, bis er eines Tages die Chance bekommt, kostenlos am College Vorlesungen zu besuchen. Dort wird er allerdings nie ankommen, da er zufällig in ein gestohlenes Auto und daraufhin in eine Besserungsanstalt für Jugendliche - die Nickel Academy - gerät. Es gibt kein Entkommen. Seine Begeisterung für die Reden und Taten Martin Luther Kings verhelfen ihm dazu, diese Zeit leichter durchstehen. Doch dort angekommen, muss er schnell lernen, sich dem System der Anstalt zu beugen, um lebendig zu seiner Oma zurückkehren zu können. 

Diese Geschichte ist emotional aufwühlend und von einem Gefühl der Trauer überdeckt. Zu hören, welcher Grausamkeit die Jungs ausgesetzt waren, ist erschreckend. Dass diese Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht und Whitehead die Situation Anfang der sechziger Jahre glaubhaft darstellt, ist nur schwer fassbar. 
Dennoch ist es ein wichtiges Thema, welches der Autor interessant und eindrücklich vermittelt. 

Der Einstieg, welcher in der heutigen Zeit spielt, ist gelungen. Er zeigt auf, dass es kein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte, sondern auch heute noch aktuell ist und aufgearbeitet werden muss. Zwischendurch wechselt die Geschichte von den Erfahrungen in der Besserungsanstalt zu der heutigen Zeit. Dies war für mich als Hörer an einigen Stellen verwirrend und zumeist erst im Nachhinein nachvollziehbar, um welchen Protagonisten es sich gerade handelt. Jedoch wird dies am Ende aufgelöst, sodass diese Passagen das Gesamtverständnis keineswegs beeinträchtigen. 

Die Hauptfiguren sind ausführlich und zumeist tiefgehend mit Veränderungen ihres Verhaltens und ihres Charakters ausgestaltet, sodass es dem Hörer möglich ist, ihr Handeln zu verstehen und mit ihnen zu leiden. 
Die Handlung ist jedoch auf einen großen Hauptaspekt beschränkt, sodass nicht viele verschiedene Handlungsstränge vorhanden sind und an einigen Stellen Tiefe fehlt oder das Geschehen sich nur sehr langsam entwickelt. Dennoch ist es im großen und ganzen keineswegs langweilig, sondern bringt dem Hörer durch die Vielzahl an Beschreibungen die dramatischen Umstände in einer Besserungsanstalt in Amerika der sechziger Jahre näher. 

Positiv lässt sich bei dem Hörbuch zudem vermerken, dass der Sprecher Torben Kessler eine angenehme Stimme hat, die dem Hörer durch verschiedene Stimmlagen diverse Emotionen übermittelt und ihn nicht unberührt lässt. 

"Die Nickel Boys" ist all denen zu empfehlen, die nicht vor ausführlicheren Beschreibungen von Grausamkeiten zurückschrecken und sich zusätzlich für die Lebenssituation (insbesondere der Dunkelhäutigen) in Amerika in den sechziger Jahren interessieren.