Rezension

Erschreckendes Szenario

NSA - Nationales Sicherheits-Amt - Andreas Eschbach

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
von Andreas Eschbach

Bewertet mit 4 Sternen

Was wäre, wenn... wenn es im Dritten Reich Komputer gegeben hätte? Komputer die je nach Abfrage beliebige Auswerten auswerfen? Emotionslos, präzise im Dienste des Volkes. Was wäre, wenn es mobile Telephone im Dritten Reich gegeben hätte, die sich abhören lassen und an deren Bewegungsprofil sich nachvollziehen lässt, wo sein Besitzer sich rumtreibt? Das NSA ist das Nationale Sicherheitsamt, gegründet im Kaiserreich, als die Komputer noch mit Lochkarten funktionierten. Die zahlreichen Datensilos im Amt sammeln alle möglichen Daten über die deutschen Bürger. Seit die Regierung das Bargeld abgeschafft hat, zahlen die Bürger mit den Telephonen, einfach und verfolgbar. Komputerprogramme für Abfragen zu stricken ist absolute Frauensache. Schon in der Schulzeit belegt die unscheinbare Helene Bodenkamp einen Programmstrickerinnen Kurs. Sie gewinnt sogar einen nationalen Preis. Weil Helenes Talent dadurch aufgefallen ist, bietet man ihr nach ihrem Schulabschluss eine Stelle im NSA an. Helene ist keine glühende Anhängerin der Nazis. Als sie ihre Arbeit im NSA aufnimmt, sieht sie es als normale Tätigkeit. Eine Arbeit, die ihr aufgrund ihres analytischen Denkens liegt. Erst mit der Zeit wird ihr bewusst, welche Macht diese vielen gesammelten Daten haben. Spätestens als sie an der Aufspürung von versteckten Juden beteiligt ist, erkennt Helene, dass sie zu einem wesentlichen Teil des Systems geworden ist. Um ihr eigenes Geheimnis zu schützen, versucht sie die Programme zu manipulieren. Eugen Lettke ist ein Vorzeigearier und Sohn eines Kriegshelden. Allerdings zieht es ihn nicht an die Front, so eine Art Held möchte er nicht werden. Er ist Analyst im NSA und hofft, die Anstellung schützt ihn vor dem Einberufungsbefehl. Als Analyst durchforstet er die vielen Meinungsforen im Weltnetz. In erster Linie manipuliert er das US amerikanische Forum. Doch nebenher verfolgt er noch private Interessen. Eugen befindet sich auf einem persönlichen Rachefeldzug. Grund dafür ist ein demütigender Nachmittag in seiner Jugendzeit, den er nicht vergessen kann. Niemand demütigt den Sohn eines Kriegshelden. Durch seine privaten Recherchen macht Eugen eine brisante Entdeckung von nationalem Interesse. Zusammen mit Helene versucht er dieser Entdeckung nachzugehen. Die beiden schaffen es, sich in ein amerikanisches Komputersystem zu haken. Beide sind überwältigt von der Bedeutung ihrer Entdeckung. Als sie ihre Ergebnisse an die Regierung weitergeben, werden Eugen und Helene erst gefeiert, doch nur wenige Tage später kommt alles anders. Die Leben der beiden ändern sich schlagartig.

Andreas Eschenbach greift mit seinem Roman in die Geschichte ein, in dem er die modernen, technischen Errungenschaften ins Dritte Reich überträgt. Eine schreckliche Vorstellung, welche Möglichkeiten Hitler damit gehabt hätte. Genau diese Möglichkeiten greift der Roman auf. Dem Volk ist nicht bewusst, in welchem Umfang ihre Daten gespeichert und verarbeitet werden. Jeder Kauf, jede Bewegung und vieles mehr ist nachvollziehbar. Dennoch kann sich niemand dem entziehen. Was will man machen, wenn es kein Bargeld gibt?

Die Geschichte rund um das NSA macht nachdenklich. Ich hatte oft China vor Augen. Das chinesische Punktesystem für Bürger oder die Gesichtserkennung. Der Autor wirft etliche ethische und philosophische Fragen auf. Im letzten Drittel schneidet er sogar das Thema manipuliertes Denken an. Wird es möglich sein, das Gehirn eines Menschen zu steuern?

Die Geschichte führt dem Leser vor Augen, wie Daten genutzt werden können. Das ist Realität. Glücklicherweise leben wir noch in einem Land, in dem wir einigermaßen geschützt sind.

Hin und wieder hatte die Erzählung so ihre Schwachstellen, über die ich aufgrund des großen Ganzen hinweg gelesen habe. Die Geschichte der Hauptfiguren wird abwechselnd im Rückblick erzählt. So habe ich als Leser einen guten Zugang zu den beiden bekommen.Eugen Lettke ist als Charakter sehr ambivalent. Trotz seines oftmals widerlichen Verhaltens, ist er mir nie gänzlich unsympathisch geworden. Das Ende kommt völlig anders daher, als ich es erwartet habe. Meine erste Reaktion war leichte Enttäuschung, bis mir klar wurde, dass ein anderes Ende den Roman völlig verfälscht hätte.

Gut durchdachte Charaktere machen deutlich, wie gefährlich es wird, wenn die falschen Menschen Zugriff auf unsere Daten bekommen.