Rezension

Provozierendes, schockierendes Werk über die fiktiven Auswirkungen von Internet auf die Politik des Dritten Reichs.

NSA - Nationales Sicherheits-Amt - Andreas Eschbach

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
von Andreas Eschbach

Die Entwicklung von mobilen Endgeräten und dem Zugang zum Internet bringt eine schier unendliche Fülle an Möglichkeiten mit sich: der sekundenschnelle Zugriff auf Informationen, die Weiterleitung von Daten, die mögliche Kommunikation untereinander, die globale Vernetzung und die damit einhergehende Sensibilisierung für andere Kulturen, um nur einige Beispiele zu nennen. Doch wo es Licht gibt, dort herrscht auch Schatten: Der Datenschutz für alle Benutzer ist schon längst nicht mehr gewährleistet und wer an dieses Wissen gelangt, erreicht Macht. Andreas Eschbach wagt das fesselnde Gedankenexperiment: Was, wenn diese totale Überwachung schon im Dritten Reich möglich gewesen wäre? 

Das Szenario ist ab der ersten Seite packend und provozierend. Der Autor hinterfragt hier kritisch die heutige Medienlandschaft mitsamt ihren zweischneidigen Fortschritten und bezieht sie auf eine der schrecklichsten Epochen der Menschheitsgeschichte. Somit konstruiert er eine erschreckende Vision, in der die Nationalsozialisten dieses Kontingent für ihre Ideologien zweckentfremden.

Das vorliegende Werk gibt einen umfassenden Einblick in das Leben zweier Hauptfiguren, die eigene Ecken und Kanten besitzen. Aufgrund der großen charakterlichen Unterschiede bleibt die Handlung durchweg abwechslungsreich, obwohl diese beiden Stränge oft nahe beieinander liegen. Leider thematisiert "NSA" häufiger den Einsatz der Überwachungstechnik für deren persönliche Zwecke, anstatt die Verwendung für das totalitäre System näher zu beleuchten, was für mich den Reiz an dem Gedankenspiel ausmacht. Wirkliche Propaganda, durch die die rechtsradikale Partei NSDAP ja so stark an öffentlicher Bedeutung gewinnen konnte, wird über die sozialen Netzwerke nicht betrieben, wie man es hätte erwarten können. 

Trotz seines starken Umfangs von knapp achthundert Seiten bleibt der Roman beinahe durchweg kurzweilig und mitreißend. Das liegt vor allem an dem überzeugenden Schreibstil, der sich gut lesen lässt und das Lesepublikum einen flüssigen Einstieg in die Geschichte ermöglicht. Gut, vor allem in der zweiten Hälfte gibt es doch einige erzähltechnische Längen und überflüssige Schlenker in der Handlung, die es wahrlich nicht gebraucht hätte, aber sie trüben den Unterhaltungswert von "NSA" nur unmerklich. 

Andreas Eschbach vermischt geschickt historisch belegte Fakten und die fiktiven Auswirkungen des technischen Fortschritts auf den Erfolg der antisemitischen Politik. Somit erzeugt er eine vermeintlich vertrauenswürdige Ebene als Basis, die sein Erzählen authentischer erscheinen lassen, als der Wahrheitsgehalt es erlaubt. Die Handlung verdichtet sich zunehmend zu einem atmosphärischen, fesselnden Ende, das die Leser*innen schockiert zurücklässt: Die starken Parallelen zu George Orwells drastischem "1984", dessen Befürchtungen heutzutage teilweise schon eingetreten sind, sind wohl nicht unabsichtlich!

Jedoch gehe ich als Leser insofern nicht ganz mit, was die Naivität der Protagonistin Helene Bodenkamp anbelangt: Dass sie als Miterzeugerin eines technisch überlegenen Programms überrascht davon ist, dass sich die Technik auch gegen sie wenden kann, erscheint in dem Kontext vollkommen unglaubwürdig. Insgesamt hat mich Andreas Eschbach mit seinem Werk "NSA" trotz kleiner Mängel stark überzeugen können. Es ist ein vielschichtiges Werk mit einem unvergleichlichen Szenario, das seinesgleichen sucht und sofort fesselt. Daher eine große Leseempfehlung von mir!

 

"NSA: Nationales Sicherheits-Amt" ist ein provozierendes, schockierendes Werk über die fiktiven Auswirkungen von Internet auf die Politik im Dritten Reich.