Rezension

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Erstklassiger düsterer Krimi mit viel Sonne und Alkohol

In der Nacht - Dennis Lehane

In der Nacht
von Dennis Lehane

Der Rum muss fließen, die Zigarre glimmen. Die Leute wollen Alkohol, Spaß und vor allem Leben. Nur wenn du Pech hast, landest du mit einem Block Zement an den Füssen im Golf.

“…Wir sind süchtig danach.”
“Wonach?”
“Nach der Nacht.” sagte Joe. “Sie ist unwiderstehlich. Wer sich für den Tag entscheidet, der muss nach ihren Regeln spielen. Darum haben wir uns für die Nacht entschieden und spielen nach unseren eigenen. Das Dumme ist nur, wir haben im Grunde gar keine Regeln.”

Das bringt die Sache ziemlich gut auf den Punkt. Nachts fließt der Rum am besten die Kehlen hinunter und wer den Rumfluss kontrolliert, in dessen Taschen fließt das meiste Geld. Zumindest in den Vereinigten Staaten, zur Zeit der Prohibition.

Zu genau dieser Zeit spielt der neueste Roman von Dennis Lehane, dem Meister der düsteren Geschichten (in der aber durchaus auch die Sonne vom Himmel brennen kann). Hierzulande ist er, und da nehme ich mich nicht aus, eher bekannt durch Verfilmungen seiner Bücher (wenn überhaupt). Aus seiner Feder stammen unter anderem ‘Shutter Island’ und ‘Mystic River’.

‘In der Nacht’ (Live by night) erzählt uns die Geschichte von Joe Coughlin, einem jungen Nachwuchs-Gangster im Boston der 20er Jahre. Bei einem seiner Jobs trifft er auf Emma, die ihn mit ihren Augen in ihren Bann zieht. Er ist geradezu bessesen von ihr und als beide sich in eine Affäre stürzen, ist der Konflikt mit Albert White – einem der Bostoner Bosse – vorprogrammiert.

Joe und Emma schmieden den klassischen Plan: ein letztes Ding und dann verschwinden wir beide. Doch der Plan geht schief und Joe findet sich im Gefängnis wieder.
Das es dort ums nackte Überleben geht, kennen wir alle aus vielen Hollywood-Geschichten, und das man auch mal Glück hat ebenso: Joe kann in die Organisation von Maso Pescatore einsteigen, einem Paten, der vom Gefängnis aus die illegalen Geschäfte in großen Teilen der Ostküste kontrolliert.

Als Joe rauskommt, wird er nach Florida geschickt und übernimmt dort die lokale Führung des Syndikats. In der Folge gedeihen die Geschäfte, denn mit den nötigen Mitteln bieten die Gesetzte jener Zeit die optimalen Voraussetzungen, um richtig reich zu werden. Und eben das nutzt Joe zur Gänze aus, mit allem was dazu gehört.

Joe lässt sich treiben von der Lust am Gewinn, vom Kitzel seines Geschäfts. Bei einem besonders heiklen Coup wird seine Einstellung besonders deutlich:

” – genau deshalb waren sie Gesetzlose. Um Dinge zu erleben, die den Versicherungsvertretern, den Lastwagenfahrern und Anwälten und Kassierern und Schreinern und Immobilienmaklern dieser Welt nie vergönnt sein würden. Drahtseilakte ohne Netz und doppelten Boden.”

Ein gewaltiges Gangster-Epos, wie es der Klappentext nennt, ein schillerndes -oder besser ein in der Sonne flimmerndes- Bild dieser Zeit, welches uns Dennis Lehane hier beschert hat. Macht richtig Spaß zu lesen und ist doch anspruchsvoll und voller menschlicher Abgründe, Leichen im Dutzend, religiöser Fanatiker und vor allem: jeder ist sich selbst der Nächste.

Definitive Pflichtlektüre für alle Boardwalk Empire-Fans, Scarface-Liebhaber, und eigentlich ja für jeden – kaufen, lesen, verschenken, verleihen, empfehlen. Wie das halt so mit guten Büchern ist.