Rezension

Rau, dreckig, ein Gangster-Epos wie es sein muss!

In der Nacht - Dennis Lehane

In der Nacht
von Dennis Lehane

Bewertet mit 4 Sternen

"Wärst du nicht selbst gern ein Idealist?" Sie hielt Daumen und Zeigefinger ganz nah zusammen. "Wenigstens ein kleines bisschen?"
Er schüttelte den Kopf. "Ich habe nichts gegen Idealisten. Mir ist bloß aufgefallen, dass die meisten keine vierzig werden."
"Gangster ebenso wenig."
"Stimmt", sagte er. "Aber wir essen in besseren Restaurants."

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INHALT:
Joe Coughlin bezeichnet sich selbst als Gesetzlosen und verdient sein Geld mit kleinen Raubüberfällen. Bei einem davon trifft er auf die junge und auf ihre Art besondere Emma Gould - und verliebt sich unsterblich in sie. Doch sie ist die Geliebte des Unterweltbosses der Stadt, und damit eigentlich unerreichbar. Joe aber setzt alles für sie aufs Spiel, und die Dinge nehmen ihren Lauf...

MEINE MEINUNG:
Dennis Lehane ist eigentlich eher für seine Kriminalromane rund um Patrick Kenzie und Angela Gennaro, oder auch seinen verfilmten Thriller "Shutter Island" bekannt. Mit "Im Aufruhr jener Zeiten" startete er jedoch seine Trilogie um die Coughlin-Brüder Danny, Joe und Connor, die nichts mehr mit dem vormaligen Genre zu tun haben. "In der Nacht" ist nun der 2. Band, ein Gangster-Epos zu Zeiten der Prohibition - und ein Werk voll Spannung, Skrupellosigkeit und Witz.

Joe ist ein Gangster der besonderen Art. Sicherlich, er verdient seinen Lebensunterhalt mit zwielichtigen Geschäften, und wenn es sein muss, wird er zum Erhalt dieser auch brutal und gewalttätig. Doch wenn es sich vermeiden lässt, kümmert er sich lieber auf faire und ruhige Art um Probleme. So erhält man trotz seines Gewerbes dennoch eine Verbindung zu ihm. Seine Weggefährten besitzen ebenfalls alle ihren Wiedererkennungswert -die kühle, unbefangene Emma Gould; der treue Freund Dion; die stürmische Graciela. Und ob man sie nun mag oder nicht, im Gedächtnis bleiben sie auf jeden Fall. Aber auch sonstige Nebencharaktere wie die Gangsterbosse, mit denen die Charaktere es zu tun bekommen, oder Personen, die ihnen den Weg weisen, wie etwa der Polizist Figgis, sind grandios ausgearbeitet und können überzeugen, egal wie lang und oft sie auftauchen.

Dennis Lehane besitzt einen so einnehmenden Schreibstil, dass man sich sofort fühlt, als wäre man mitten in der Zeit der Prohibition. Alkohol ist verboten, wird jedoch illegal eingeschmuggelt und ist dadurch ein Riesen-Geschäft. Das Handwerk boomt, der Umgang ist rau und dreckig. Die Atmosphäre ist von Anfang an dicht und fesselnd, die Stränge der Story sind gut verknüpft und die Spannung lässt kaum jemals nach. Allerdings hat man zwischenzeitlich das Gefühl, dass einige Figuren nur eingebaut wurden, um für kurze Zeit für ein wenig Wirbel oder ein paar Wendungen zu sorgen, nur um dann wenig später auf nicht immer komplett nachvollziehbare Weise zu verschwinden - letzteres insbesondere erschien mir manchmal doch sehr zurecht geschrieben.

Ansonsten jedoch ist der Roman ein Stück Geschichte, verbunden mit einer Handlung, die einen regelrecht die Nächte durchlesen lässt. Liebe und Zufriedenheit bleiben nicht aus, doch ebenso halten Tod und Dramatik immer wieder Einzug. Außerdem wird dem Leser schnell klar, dass Joes Glückssträhne nicht ewig halten wird, was einen dunklen Schatten voraus wirft, der einem vor dem Ende richtig Angst und Bange werden lässt. Der Schluss passt, ist durchdacht, hält jedoch auch die ein oder andere Überraschung für den Leser bereit - und das nicht nur vom Ausgang her, sondern auch im Bezug auf einige Figuren, die man doch dachte, zu kennen. Und so bleibt am Ende wieder nur eines: Den Inhalt von Lehanes Büchern kann man eben nicht erahnen. Man muss sie lesen. Und lieben.

FAZIT:
"In der Nacht" ist der 2. Teil der Trilogie rund um die Coughlin-Brüder, die alle verschiedene Wege gehen. Joes Geschichte spielt in der Unterwelt und handelt von düsteren Machenschaften und einem gefährlichen Gewerbe. Gut geschrieben und voller Atmosphäre gelingt es Dennis Lehanes neustem Roman, einen wieder in den Bann zu ziehen, auch, wenn nicht alles perfekt ist. Ich jedenfalls kann den Autor jedem nur ans Herz legen. Gute 4 Punkte!