Rezension

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Verdienter Hype mit kleinen Einschränkungen

In der Nacht - Dennis Lehane

In der Nacht
von Dennis Lehane

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das neue Buch von Dennis Lehane wird zur Zeit mit einem enormen Aufwand beworben. Kein Medium, das auch nur im Entferntesten mit Literatur zu tun hat kommt im Moment um den Strohhut des Covers herum. Und es ist auch ein mächtiges Werk, das da noch kurz vor Weihnachten um die Aufmerksamkeit des Lesers buhlt.

Es ist die Zeit der Wirtschaftskrise und der Prohibition in den USA. Joe Coughlin, ein eher kleiner Gangster in Boston, Sohn eines mehr oder weniger korrupten Polizeichefs und sich selbst gerne als Gesetzlosen sehend, stürzt sich in eine Affäre mit der Geliebten des gegnerischen Bandenboss Albert White. Keine gute Idee, wie der Leser sogleich ahnt. Als Joe nach einem gescheiterten Bankraub und der anschließenden Flucht, bei der drei Polizisten ums Leben kommen, nicht gleich flieht, sondern sich noch einmal mit Emma Gould treffen will, kommt es zum Zusammenstoß mit Whites Männern. Der Einsatz der Polizei rettet Joe zwar das Leben, bringt ihn aber auch ins Gefängnis. Dort macht er die Bekanntschaft mit dem Mafiaboss Maso, der ihn zukünftig protegiert. Als er nach relativ kurzer Zeit wieder entlassen wird - hier hat der Polizeichef-Vater die Finger im Spiel - übernimmt Maso das Alkoholschmuggelgeschäft von Maso in Tampa/Florida und kommt hier zu unglaublichem Reichtum. Lange Zeit trauert er seiner geliebten Emma nach, die von Alberts Männern entführt und dabei bei einem Unfall tragisch ertrank. Ihre Leiche wurde allerdings nie gefunden. Joe findet in Tampa nun auch ein privates Glück mit Graciela, aber Sicherheit gibt es im Mafia-Milieu nicht...

Lehane schafft es unheimlich gut, gleich zu Beginn die Atmosphäre der Zeit einzufangen, man sieht viele Szenen direkt vor sich und das Buch verlangt geradezu nach einer Verfilmung. Dabei werden auch typische Klischees nicht gemieden, was nicht schmerzt, da der Autor immer nicht nur spannend und schlüssig, sondern auch auf hohem sprachlichen Niveau und mit bemerkenswerter Ausdruckskraft schreibt. Zudem erzählt er intelligent von Dingen wie der Prohibition, den Klassenschranken zwischen den unterschiedlichen Hautfarben, dem KuKluxKlan, religiösen Fanatikern, Gottesleuten, die den Kriegsleuten, hier den Mafiosi, gar nicht so unähnlich sind. Das "stört" nie den eigentlichen Plot, gibt dem ganzen aber eine gewisse Tiefe. Besonders im ersten Teil kommt dazu auch eine sehr interessante Charakterzeichnung, z.B. bei der Beziehung Joes zu seinem Vater. Dies verliert sich leider etwas im Verlauf des Buches. Die Personen sind nicht mehr so fein schattiert, besonders Joe wirkt oft einfach zu gut, um wahr zu sein. Dies ist ebenso wie das Ende der Geschichte für mich der einzige Wermutstropfen in diesem insgesamt begeisterndem Lesevergnügen.