Rezension

Es werde Schmerz, und es ward Schmerz

Die weite Wildnis -

Die weite Wildnis
von Lauren Groff

Bewertet mit 4 Sternen

Lauren Groffs neues Buch “Die weite Wildnis“ ist ein historischer Roman. Die Protagonistin ist ein Waisenkind, das von ihrer Dienstherrin im Alter von 4 oder 5 Jahren aus dem Waisenhaus geholt wird, damit sie sich um die neugeborene kleine Bess kümmert. Der zweite Mann der Frau, ein Pastor, verlässt England mit der Familie, um an der amerikanischen Ostküste als einer der neuen Siedler zu leben. Viele Engländer sterben schon in den Stürmen während der Überfahrt, sehr viele mehr während des harten Winters an Hunger oder Krankheiten im belagerten Fort. Das Mädchen, von den grausamen Frauen im Heim Lamentatio Venal genannt, damit die Schande ihrer Herkunft nie in Vergessenheit gerät, erlebt im Fort schlimme Dinge. Eines Tages flieht sie, weil die Gefahren ihr dort viel größer erscheinen als alles in der unbekannten Wildnis dort draußen. Als Leser verfolgen wir, wie klug sie sich Nahrung verschafft und Schutz unter Felsen, in Höhlen oder zwischen Baumstämmen sucht. Sie bekommt einen neuen Blick auf die Welt, lernt die Schönheit der Natur mit ihren Pflanzen und Tieren zu lieben und lässt den Leser an ihren Erinnerungen an die Vergangenheit teilhaben. Nach allem, was ihr widerfahren ist, verliert sie ihren Glauben und stellt die Existenz Gottes in Frage. Schließlich war auch der Pastor nur ein gefährlicher Heuchler, dem es immer nur um den eigenen Vorteil ging. Das Mädchen schafft es durch ihre überragende Intelligenz allen Gefahren zu trotzen, leidet aber unter ihrer Einsamkeit. Mit dem holländischen Glasbläser auf dem Schiff hat sie die Liebe ihres Lebens verloren. Zurück bleiben Trauer und Schmerz (S. 254).
Die Autorin erzählt die Geschichte ihrer Protagonistin in packender Sprache, überzeugt durch wunderbare Passagen über Landschaft und Klima und lässt auch Kritik an den skrupellosen Europäern einfließen, die sich anmaßen, die neue Welt in Besitz zu nehmen und alles zu zerstören, die Natur genauso wie fremde Zivilisationen, in diesem Fall die First Americans, die Ureinwohner. Ich habe den Roman gern gelesen, hätte mir aber schon etwas mehr Handlung gewünscht. Auch hat mich die Qualität der Übersetzung mit ihrer gewollt altertümelnden Sprache gestört, die leider auch unzählige Fehler enthält („vom Hunger gehagert“, S. 7 – soll das Deutsch sein?). Eine dennoch überwiegend positive Leseerfahrung.