Rezension

Es wurde wirklich Zeit, dass dem deutschsprachigen Publikum dieses Romandebüt nun zugänglich gemacht wurde

Der Sprengmeister
von Henning Mankell

Bewertet mit 5 Sternen

Henning Mankell, Der Sprengmeister, Zsolnay 2018, ISBN 978-3-552-05901-6

 

Im Jahr 1973, Henning Mankell war gerade 21 Jahre alt, wurde in Schweden der erste kleine Roman des später so bekannten Henning Mankell veröffentlicht. Schon in dieser Geschichte über den Sprengmeister Oskar Johansson und sein hartes Arbeiterleben ist Mankells zentrales Thema die fehlende soziale Gerechtigkeit, ein Thema, das ihn in vielen Schattierungen begleiten sollte bis zu seinen letzten Büchern und auch in seinen Wallander-Romanen immer eine wichtige Rolle spielte.

 

Oskar Johansson verliert an einem Samstagnachmittag des Jahres 1911 bei einer Tunnelsprengung nicht nur alle seine blonden Haare und sein linkes Auge, sondern ein Splitter schneidet die rechte Hand direkt am Handgelenk ab. Ein weiterer dringt ihm in den Unterleib und verletzt sein Glied schwer.

 

Nachdem er schon in ganz jungen Jahren sich einem Sprengtrupp angeschlossen und es schließlich bis zum Sprengmeister gebracht hatte, liegt er nun monatelang im Krankenhaus. Seine Freundin Elly besucht ihn zwar tapfer, findet aber bald einen anderen Mann, den sie heiraten wird.

 

Wieder genesen, kann Oskar bei seinem alten Sprengtrupp wieder arbeiten. Er bleibt dort Sprenger, bis er in den fünfziger Jahren in Rente geht. Mit der Schwester Ellys, Elvira, die er bald kennenlernt, ohne erst zu wissen wer sie ist, hat er drei Kinder und eine unverbrüchliche gemeinsame politische Haltung. Als sie irgendwann mit der politischen Richtung der Sozialdemokraten nicht mehr einverstanden sind, treten sie beide aus und schließe sich einer kleineren linken Partei an, deren Name aber nicht genannt wird.

 

Ein „Erzähler“, der Oskar nach seiner Rente oft in seiner kleinen Sauna auf einer der vielen Schären besucht und mit ihm  fischen geht, hat über die Jahre, die er Oskar kennt, immer wieder Mühe, etwas aus ihm herauszubekommen über sein Leben und seine Gedanken:

„Die Informationen, die Oskar darüber gewährt, sind karg und dürftig. Der Erzähler muss die Fragmente zu einem schmutzgrauen Ganzen zusammenfügen. Auskünfte gibt Oskar lediglich als Zugabe, wenn er über andere Dinge spricht.“

 

Der Erzähler sammelt aber so viel, dass es für einen bewegenden Lebensbericht eines Mannes reicht, der sein Leben lang Arbeiter war, wie seine Vorfahren. Ein Mann, der mit Frau und drei Kindern ein bescheidenes Leben führt, weil sonst der Lohn nicht reicht. Ein Mann, der nicht aufgibt nach einem schrecklichen Unfall, der zurückkehrt und zusammen mit seiner Frau politisch aktiv wird. Auf seine zurückhaltende Weise glaubt er an die Revolution. Als sein Wohnblock abgerissen wird und seine Frau gestorben ist, kauft er auf einer Schäre ein Saunahäuschen, wo er im Sommer leben kann. Dort finden auch die zahllosen Begegnungen mit dem Erzähler statt, dessen Interesse an diesem Mann und seinem Leben wohl identisch ist mit dem des jungen Mankell.

 

Der schreibt in einem Nachwort zur 1993 in Schweden erfolgten Wiederauflage des Buches: „Während ich das Buch nach all den Jahren nun aufs Neue lese, stelle ich fest, dass das Vierteljahrhundert eigentlich gar nicht so lang war. Was in diesem Buch steht, gilt auch weiterhin unverändert.“

 

So wie in all seinen späteren Büchern gibt schon der junge Mankell den Benachteiligten und Vergessenen eine unverwechselbare, eindrucksvolle Stimme.

 

Es wurde wirklich Zeit, dass dem deutschsprachigen Publikum dieses Romandebüt nun zugänglich gemacht wurde.