Rezension

Fesselnder Krimi an düsteren Orten

Kalte Havel - Tim Pieper

Kalte Havel
von Tim Pieper

Bewertet mit 5 Sternen

„...Als Hendrik Spohr mit dem schweren Geländewagen seines Vaters durch die Nacht rauschte, tauchte im Licht der Scheinwerferkegel der Wald bei Neu Fahrland auf. Für einen Moment überlegte der Zwanzigjährige, den Sicherheitsgurt zu lösen, das Gaspedal durchzutreten und gegen einen Baum zu rasen...“

 

Mit obigen Zeilen beginnt ein fesselnder und abwechslungsreicher Krimi. Hendrik entscheidet sich gegen Selbstmord und für den ursprünglichen Plan. Er holt seinen Freund Alexander ab. Wenige Stunden später ist Hendrik tot und Alexander verschwunden. Alexander ist der Sohn der Staatsanwältin Caren Winter. Sie sorgt dafür, dass Toni Sanftleben ins Kommissariat zurückkehrt und den Fall übernimmt. Toni hatte sich wegen seiner kranken Frau eine Auszeit genommen.

Die Geschichte lässt sich zügig lesen. Das liegt an den kurzen Kapiteln und dem angenehmen Schriftstil.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Bei den beiden jungen Männern geschieht das vor allem durch Rückblenden in die Vergangenheit. Schon obiges Zitat zeigt, dass Hendrik kein einfacher Charakter ist. Zu seinen Eltern hat er ein distanziertes Verhältnis. Er gehört zu einer Gruppe von Globalisierungsgegnern, deren Rückzugsgebiet die Beelitzer Heilanstalten waren. Als ein Investor dort einen Baumwipfelpfad plant, fühlen sich die Jugendlichen in ihren Rechten verletzt. Dabei wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die letztendlich zu Hendriks Tod führt.

Alexander ist eher ein Mitläufer. Er hat die Trennung seiner Eltern und insbesondere das Verhalten des Vaters nie richtig verarbeitet.

Die Handlungsorte werden vom Autor ausgezeichnet beschrieben. Dazu gehört auch, dass es Einblicke in die Histoie einiger Gebäude gibt.

Die Rückkehr von Toni ins Kommissariat wird von vielen seiner Mitarbeiter begrüßt. Zu seinem Vorgesetzten allerdings hat er ein gespannten Verhältnis. Schnell gibt es mehrere Verdächtige. Während Toni nach allen Seiten ermittelt, lässt Schmidt, sein Vorgesetzter, nur eine Richtung gelten. Nicht nur geheimnisvolle Orte, auch ungewöhnliche und gestörte Familienverhältnisse dominieren die Handlung. Hinzu kommt, dass Toni private Probleme hat. Jetzt, wo Sofie, seine Frau, nach langer Krankheit langsam ins Leben zurückkehrt, möchte sie eigene Wege gehen. Vieles in ihrer Vergangenheit liegt noch im Dunkeln. Sofies Auffinden durch Toni nach jahrelangen Recherchen war der Mittelpunkt des Vorgängerbandes.

Als besonderes Stilmittel wirken die Kapitel, die aus Sicht des Täters geschrieben sind. Hier zeigen sich psychische Probleme, die sich über Jahre angestaut haben. Erstaunlicherweise könnten die mehr oder weniger auf jeden der Verdächtigen zutreffen.

Das Cover im Abend- oder Morgenrot weckt Interesse.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeichnet sich durch einen hohen Spannungsbogen und eine vielschichtige Handlung aus.