Rezension

Folgen einer Reise

Sonnenplätze - Anke Schläger

Sonnenplätze
von Anke Schläger

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ich schaukelte in meinem Stuhl. Nur ein bisschen. Eine Verschnaufpause gewinnen und überlegen, wie viel Wahrheit du vertragen würdest...“

 

Frederike ist schwerhörig. Das verdankt sie ihrer Erkrankung an Mumps in der Kindheit. Nach der Beerdigung ihres Vaters öffnet sich durch Zufall der Impfausweis ihrer älteren Schwester vor ihr. Die ist gegen Mumps geimpft. Plötzlich hat Frederike Fragen, die sie ihrer Mutter Karin stellt. Deren Reaktion zeigt das Eingangszitat. Es sollte noch einige Wochen und eine Lange Reise brauchen, bis Frederike die Wahrheit erfährt.

Die Autorin hat eine abwechslungsreichen Gegenwartsroman geschrieben. Die Familiengeschichte wird einmal aus der Sicht der Mutter, dann aus dem Blickwinkel der Tochter erzählt. Beide sehen logischerweise manches unterschiedlich.

Die Ausgangssituation ist nicht einfach. Der plötzliche Tod des Vaters fordert Entscheidungen. Dazu kommt, dass Karin bei dem Ausräumen der Hinterlassenschaft auf Briefe aus Florida stößt. Die erinnern sie an eine Krise in ihrer Ehe. Ihr Mann war vor der Hochzeit in den USA gewesen. Und dann tauchte plötzlich ein Frauenname auf.

Die 30jährige Frederike hatte seit dem Unfall der Vaters vor einigen Jahren in der Drogerie ausgeholfen. Von der Arbeit konnte sie sich nicht mehr lösen, obwohl sie ihr kaum Befriedigung gab und ihr eigentlicher Beruf als Fotografin auf der Strecke blieb. Gleichzeitig wurde die Fotoecke in der Drogerie immer weiter eingeschränkt.

Karin bittet Frederike, sie auf eine Reise nach Florida zu begleiten. Sie hofft dort für sich Antworten zu finden und sich gleichzeitig mit ihrer Tochter aussprechen zu können. Zu viel ist offen zwischen ihnen.

Der Schriftstil ist leicht lesbar und sorgt für einen angenehmen Lesefluss. Sanibel Island wird sehr anschaulich beschrieben. Deutlich wird die Wirkung des Klimawandels in Florida. Gary, der im Nationalpark aushilft und der Sohn von Frederikes Vermieter ist, zeigt Frederike nicht nur die Schönheiten, sondern macht sie in inhaltsreichen Gesprächen auch auf die Gefahren aufmerksam.

 

„...Aber die starken Regenfälle haben überall viel durcheinandergebracht. In unseren Sümpfen trifft Süß- auf Salzwasser. Der Salzgehalt darin ist stark gesunken. Darum können nun auch andere Bäume neben den Mangroven überleben...“

 

Warum die Mangroven für das Land so wichtig sind, wird ebenfalls thematisiert.

Ein weiterer Punkt, der nicht nur zwischen Frederike und ihrer Mutter zur Sprache kommt, ist die Teilnahme an Impfungen. Für und Wider werden kontrovers diskutiert. Hank, Arzt und Freund des Vermieters, dringt darauf:

 

„...Eine Fachzeitschrift, von der ich viel halte, hat über den vergangenen Grippewinter in Europa berichtet. Der muss wirklich hart gewesen sein. Ich mache mir Sorgen um meinen alten Freund her, weil dies Viren bei uns meist eine Saison später kommen...“

 

Und gerade diese Gespräche führen Karin an einen entscheidenden Punkt ihrer Ehe. Sie bekommt Antworten, mit denen sie nie gerechnet hat. Für Frederike wird klar, warum sich ihr liebender Vater von einen Tag auf den anderen für sie verändert hat und warum sie nicht geimpft ist. Nein, es hat nichts mit Ehebruch zu tun! Der Zusammenhang hat einen völlig anderen Grund. Wieder einmal zeigt sich, dass Schweigen oft die schlechteste aller Optionen ist.

Frederike lässt mich an ihren positiven und negativen Erfahrungen mit Hörgerät und Schwerelosigkeit teilnehmen.

Und in Florida steht Gary vor einer ähnlichen Entscheidung wie Frederike vor Jahren. Soll er seine persönlichen Ambitionen aufgeben und seine Vater bei der Verwaltung der Ferienanlage unterstützen?

Die drei Ferienwochen werden alle Beteiligten nachhaltig verändern. Sie begreifen, was für ihr persönlichen Glück wirklich wichtig ist.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es verbindet gekonnt gesellschaftliche mit persönlichen Fragen.