Rezension

Furios, spannend, humorvoll und wunderbar erzählt

Der Turm der Welt - Benjamin Monferat

Der Turm der Welt
von Benjamin Monferat

Bewertet mit 5 Sternen

„Zündung in 59 Stunden, 51 Minuten“, so fängt es an. Der Countdown läuft. Was dann passiert, weiß man nicht genau, aber eins steht fest: Über der sagenhaften Weltausstellung in Paris 1889 liegt ein bedrohlicher Schatten. Zwei Agenten des Deuxième Bureau wurden brutal ermordet aufgefunden, während die Berneau´sche Uhr in der Galerie des Machines fünf vor Zwölf anzeigt. In 59 Stunden und 51 Minuten endet die Exposition Universelle.

Und wenn man auch auf den ersten Seiten des Buches meint, einen historischen Thriller der finsteren Sorte zu lesen, findet man sich schon bald auf dem Landsitz der Vicomtesse de Rocquefort, die Tee schlürft, Intrigen spinnt und das Töchterlein verschachert. In London ist ein tapferer Polizist dem Ripper auf den Fersen, in Paris bemüht sich ein talentierter Fotograf um die Gunst einer berühmten Kurtisane und am Montmartre holt man eine Legende aus dem Absinthrausch. 

Man ist verwirrt, fasziniert und hat fast das Gefühl, drei-vier Bücher gleichzeitig zu lesen. In kurzen Kapiteln wechseln hier Handlungsstränge quer durch die gesellschaftlichen Schichten, wobei jede Figur liebevoll eingeführt wird und ganz eigene Sorgen hat. Ob es um das Zimmermädchen Charlotte oder Eddy, den englischen Vize-Thronfolger geht, jeder trägt hier ein Stückchen bei und man verfolgt sein Schicksal gebannt. Und obwohl man sich zunächst kaum vorstellen kann, was diese Geschichten wohl miteinander zu tun haben könnten, sieht man nach und nach Verbindungslinien, von denen jede absolut unerwartet kommt. 

Mit viel Humor und einem wunderbar eigenen Schreibstil legt Benjamin Monferat hier ein Werk vor, was man nicht einordnen kann. Er verknüpft kunstvoll Historie und Fiktion zu einem glaubhaften und atmosphärischen Setting. Man sieht sie vor sich, diese vielfältige pariser Gesellschaft, erlebt staunend das Ende der großen Ausstellung und zweifelt nicht an der Existenz des Königreichs Carpathien. Gleichzeitig schlittert man knapp am vorzeitigen zweiten Weltkrieg vorbei. Engländer, Deutsche und Franzosen misstrauen sich zutiefst. Und dann ist da noch der Mordfall, der immer mysteriöser wird und zu einer globalen Katastrophe ausufern könnte. Unglaublich spannend.

Eigentlich hat er ein neues Genre erfunden, nur der Name fehlt noch. Historien-Thriller? Spionage-Landhaus-Agenten-Gesellschaftsroman mit Familiengeheimnis und Hochspannung? Egal, wie wir es nennen. Es ist ein großartiges Buch, das man lesen muss, furios, spannend, humorvoll und wunderbar erzählt.