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Bewertet mit 3.5 Sternen
Anne Tyler balanciert mit ihrem neuen Roman auf einem äußerst schmalen Grat zwischen Chic-Lit, Slap Stick und Shakespeare. Doch sie stürzt nicht ab, und hat wieder einen für sie typischen Familienroman aus Baltimore geschrieben mit überbordenden und noch mehr komödiantischen Szenen als in ihren anderen Büchern: Shakespeares Original grüßt.
Frauen wie Kate kennt man von Tyler: Selbstständig und dennoch abhängig; intelligent und trotzdem im Studium gescheitert; eine, die weiß, was sie nicht will, und gleichzeitig nicht weiß, was sie will.
Sie ist vor allem mit ihrem Vater geplagt, einem Mann der medizinischen Forschung, einer so übertriebenen Karikatur eines Wissenschaftlers, dass man zu der Vermutung kommt: Der muss echt sein. Mit dem Kopf in seinem Labor oder in Fachzeitschriften, während er glaubt, durch ein privates Regelsystem familiäre Katastrophen abwenden zu können.
Kates zweites Problem heißt Bunny, die 15-jährige Schwester, die Vaters Regeln ebenso erfolgreich durchbricht wie Kates Grenzen.
Auch mit ihrer Arbeit in einer Kita hadert Kate: Sie geht mit den Kindern und erst recht mit den Eltern nicht nach den Richtlinien der Leitung um, sondern nach ihrem gesunden Menschenverstand und redet frei heraus. Pädagogische Grundsätze sind für Kate zweitrangig.
Der Vater sucht eine Frau für seinen russischen Forschungspartner Pjotr, damit er nach der Heirat mit einer Amerikanerin im Land bleiben kann, wenn sein Visum abläuft. Er rechnet fest damit, hierfür seine Tochter zu gewinnen.
Kates Entwicklung von der Verweigerung zum Einverständnis schildert Tyler so verhalten, dass man als Leser am Ende nicht weiß: Wo genau wendet sich das Blatt? - keine lauten Töne, keine emotional heftigen Beschreibungen und kein Sezieren.
Der Schluss ist Shakespeare geschuldet. Tylers Bücher enden meist anders. Trotzdem: Ein wunderbarer herzerwärmender Schluss, eher einem Märchen als einer realen Geschichte würdig.