Rezension

Gefühle...

Herzklappen von Johnson & Johnson - Valerie Fritsch

Herzklappen von Johnson & Johnson
von Valerie Fritsch

"Das hatte er mit dem Großvater gemein, dem man irgendwann nach dem Krieg, aber lange bevor er ein alter Mann war, eine Kugelprothese eingesetzt hatte, metallene Herzklappen der Firma Johnson & Johnson, gegen die Insuffizienz des Organs, die Unzulänglichkeit des eigenen Herzens. Und es kam Alma stets eigenartig folgerichtig vor, dass es schwach geworden war an den entsetzlichen Dingen, an denen es teihatte, an der Täter- und der Opferschaft, und dass der Großvater etwas Mechanisches benötigte in sich drinnen, das sein Herz stützte wie ein Krückstock, um weiterleben zu können." (S. 124)

Alma wächst auf in einer Familie, in der Gefühle nicht gezeigt werden und vieles nicht angesprochen werden darf. Sie bekommt einen Sohn, der durch einen Gendefekt keinen Schmerz empfindet und so ständig in Gefahr schwebt. Körperlicher und seelischer Schmerz - notwendig für das menschliche Leben?

Die Autorin wirft indirekt zentrale Fragen des Menschseins auf, und sie tut dies in einer klaren, gut lesbaren und oft funkelnden Sprache. Dennoch bin ich nicht ganz warm geworden mit diesem Buch. Ich vermute, es liegt an der Erzählperspektive: Der allwissende Autor beschreibt, seziert und bewertet, aber die Personen selbst kommen nicht zu Wort - es gibt keine wörtliche Rede, keinen Dialog und meist allgemeine und weniger konkrete Beschreibungen einer ganz besonderen Situation. Und so gelingt es mir nur selten, mich einzufühlen. Vielleicht ist das ja Absicht, um die Bedeutung der Gefühle auch so noch einmal hervorzuheben? 

Das Buch steht auf der Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2020.