Rezension

Gefühlvoller Tanz im Takt der 1920er Jahre

Tanz des Vergessens - Heidi Rehn

Tanz des Vergessens
von Heidi Rehn

Bewertet mit 3.5 Sternen

Dass die Zeit nach dem ersten Weltkrieg und die beginnenden "Goldenen Zwanziger" eine hochinteressante Zeit waren, beweist Heidi Rehn mit diesem historischen Roman. Sie zeichnet das Porträt einer Generation, die im Krieg und mit dem Krieg aufgewachsen ist und sich nach Kriegsende trotz der beklemmenden Situation Deutschlands erstmals frei fühlt. Gut dargestellt sind die Diskrepanzen zwischen der überbordenden Energie junger Leute und dem trostlosen Alltag mit seinen vielen Entbehrungen.

Der Leser lernt mit Hauptfigur Lou, eigentlich Luise, den historischen Zeitraum besser kennen. Eingebettet in eine Geschichte um Schuld und Vergebung erlebt man mit ihr gute und schlechte Zeiten. Die Autorin erzählt Lou's Leben bewegend und gefühlvoll, wenn ich auch nicht alle von Lou's Entscheidungen nachvollziehen konnte und die Figur für mich persönlich etwas zu wenig Tiefe entwickelte.

Mein Haupt"problem" mit dem Roman, der sich grundsätzlich flüssig und spannend las, bestand im Aufbau der Story. Ich hatte den Eindruck, das Lou's Leben wenig von ihr selbst bestimmt wird und sie auch gar nicht richtig weiß, was sie will. Wie sich am Ende herausstellt, kann sie sich mit dem Designen neuartiger Handtaschen einen Traum erfüllen. Allerdings fehlte mir eine gewisse Zielstrebigkeit, mit der sie auf ihren Erfolg zuarbeitet. Vielmehr erscheint ihr Werdegang letztlich eher als ein Produkt vieler günstiger Zufälle. Ich hätte mir eine Protagonistin gewünscht, die sich weniger vom Leben treiben lässt und mehr ihren eigenen Weg geht.

Der Twist am Ende, als Lou Fotos ihres verstorbenen Verlobten mit einer anderen Frau und einem kleinen Kind entdeckt, rundet die Geschichte allerdings gut ab und bringt gegen Ende wieder Spannung hinein, die ich auf einigen Seiten zwischendurch etwas vermisst habe.

Wenn mich auch Lous persönliche Geschichte weniger packen konnte, lohnt sich der Roman aus meiner Sicht auf jeden Fall zu lesen, um mehr über die spannende Zeit zwischen 1918 und 1925 (auch über die aufkeimenden nationalsozialistischen Tendenzen) zu erfahren. Alles in allem eine ánschauliche und trotz kleiner Schwächen unterhaltsame Geschichte, die ich mit 3,5 Sternen bewerte.