Rezension

geht unter die Haut

Christiane F. - Mein zweites Leben - Christiane V. Felscherinow, Sonja Vukovic

Christiane F. - Mein zweites Leben
von Christiane V. Felscherinow Sonja Vukovic

Bewertet mit 5 Sternen

= Buchbeschreibung: ==

Das Schicksal der damals 14-jährigen, drogenabhängigen Prostituierten Christiane F. aus »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« ging um die Welt. Millionen Menschen weltweit sind mit dem Mythos Christiane F. aufgewachsen. Aber wie ging es weiter?

35 Jahre später erzählt Christiane Felscherinow ihr ganzes Leben. Eine Geschichte von Hoffnung und Hölle, glücklichen Jahren in Griechenland, Überlebenskampf im Frauenknast, Abenteuern unter Rock-Idolen, Literatur-Stars und Drogenhändlern. Im Mittelpunkt aber steht ihr Kampf, trotz aller Rauschgift-Exzesse eine gute Mutter für ihr Kind zu sein. Gemeinsam mit der Journalistin Sonja Vukovic hat sie nun ihr Leben rekapituliert. Das Ergebnis ist eine erschütternde, aber auch hoffnungsvolle Autobiografie. Eine Begegnung mit einer Gesellschaft, die den Rausch auslebt, aber den Süchtigen verachtet. Die Vollendung einer Story, die das Lebensgefühl von Generationen prägte – und damit auch ein Dokument deutscher Zeitgeschichte ist.

Limitierte Ausgabe mit privaten Fotos, Zeichnungen und Zugang zu Videobotschaften von Christiane F.

== Leseeindrücke: ==

Wer in meiner Generation kennt sie nicht. Vera Christiane F., die aus "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Ich habe immer noch David Bowies "Heroes" in meinen Ohren, wenn sie im "Sound" Europas Modernster Diskothek auftauchte.

Ihr erstes Leben:

Ende der 1970er Jahre erlangte die Jugendliche Christiane F. als Drogensüchtige mit ihrem vom "Stern" herausgebrachtes autobiografisches Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" unrühmliche Bekanntheit. Schon als 13-Jährige versucht sie gemeinsam mit ihrem drogensüchtigen Freund Detlef das erste Mal Heroin. Von da an nimmt Christiane regelmäßig Heroin und wird sogar kleinkriminell und prostituiert sich später, ebenso wie ihr Stricher-Freund Detlef, nur um irgendwie an Geld für den nächsten Schuss zu kommen. Sie entziehen, nur um gleich darauf wieder rückfällig zu werden, Christiane entzieht abermals, wird auch abermals wieder rückfällig…. bis sie irgendwann nach mehreren Entzogen und Krankenhausaufenthalten bei Verwandten den Hauptschulabschluss schafft und mehr oder minder ein "normales" Leben zu führen versucht.

Ihr zweites Leben:

In den Jahren 1987 bis 1993 lebte Christiane F.  in Griechenland. Eine Zeit, von der sie selbst schreibt, dass diese Jahre wohl die glücklichsten ihres Lebens waren, obwohl sie zu Beginn ihrer Griechenlandreise mal wieder auf Entzug war. Gerade 25-jährige, mit dem einen Mann gereist, der wieder abreiste: Der Berliner Schauspiele rund Musiker Bode Benedix. Danach lernte sie den fünf Jahre älteren Griechen Panagiotis kennen, mit dem sie viel verbindet und mit dem sie in dieser Zeit wie eine Familie zusammen lebt, der ihre große Liebe ist. Wir lernen sie in dieser Zeit in Griechenland näher kennen, was sie da erlebt, was sie für eine Zeit dort hat und auch, wie sie nach sieben Jahren wieder zurück reist nach Deutschland. Sie schreibt auch hier wieder autobiografisch aus der Ich-Perspektive, so dass wir uns ihr und ihren Gedanken und Gefühlen sehr nahe fühlen.

Zurück in Deutschland: Immer noch leidet sie an den Spätfolgen ihrer Drogensucht: Ihre Leber ist permanent entzündet, sie leidet unter Hepatitis C. Wie die meisten Leberkranken zeichnet sich bei ihr auch Spider naevi auf den Armen ab, sie schwitzt ständig, leidet unter Verstopfung und anderen Spätfolgen eben. Immer wieder hat sie auch selbstmörderische Gedanken. Gerne würde sie auch wieder die Ersatzdroge Methadon nehmen. Ihr Alkoholkonsum ist - trotz des eh schon diagnostizierten Leberschadens - beträchtlich.

Wir erfahren dass sie zwischenzeitlich 1996 von einem Sebastian ihren gemeinsamen Sohn Phillip geboren hat. Sie leben im brandenburgischen Teltow. Phillip ist inzwischen elf Jahre alt und wir schreiben anno 2008. Mit 15 Jahren gibt sie ihm auch das erste Mal Bier. Sie selbst erscheint mir in diesem Buch wieder stark rückfällig bzw. rückfällig gefährdet.

Die Zeitsprünge in diesem Buch sind teilweise ganz schön rasant… Denn bald schon lesen wir in einem Rückblick wieder über das, was damals war, in ihrer Jugend als 16-jährige, dann wieder anno 1980, als sie gerade volljährig wurde und sich sogar eine Zeitlang als Sängerin versuchte. Chronologisch muss ich mich schon anstrengen, um am Ball zu bleiben, welche Christiane F. ich nun gerade erfahre. Die vor oder nach Griechenland.

Immer wieder finden wir mittig im Buch gebündelte Seiten mit Hochglanz-Fotografien der Christiane F. , die eigentlich recht hübsch war - trotz ihres Lebenswandels. Sehr private und teilweise auch traurig stimmende Fotografien, sowie Zeichnungen von ihr. Ihr aktuelles Foto auf S: 208 hat mich tief erschüttert, diese Frau, die kaum älter ist als ich, sieht da wirklich wie ihre eigene Mutter aus. Ganz deutlich erkennt man hier, wie ihr Drogenkonsum sie nicht nur körperlich und seelisch zerstört hat, sondern sie auch optisch um Jahrzehnte hat altern lassen.

Ihre Lebensbeichte insgesamt hat mich erschüttert, da ich - ohne das Buch vorher zu kennen - erwartet hatte, dass sie ihr Leben irgendwann und irgendwie in den Griff bekommen hätte, was aber langfristig nie der Fall war, sie sogar ihren Sohn weggenommen bekam. Irgendwie hatte ich im gesamten Buch über das Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen und zu trösten, gleichzeitig aber sie zu ohrfeigen und wachzurütteln, dass man sein Leben nicht einfach so vor die Hunde gehen lässt.

Dieses Buch ist für mich eines der Highlight-Bücher, das ich lesen durfte und ich empfehle es mit 5 von 5 Sternen!

© esposa1969