Rezension

Geschichtspessimismus pur

Schotter - Florjan Lipus

Schotter
von Florjan Lipus

Bewertet mit 5 Sternen

Über derartige Texte, wie sie Lupus präsentiert, muss ich unter der Dusche nachdenken - meistens erschließen sie sich dann!

Auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises 2019 befindet sich mit „Schotter“ ein einwandfrei literarisch hochstehender Text. In einem ungefähr zweieinhalbstündigen Leidensmonolog bringt der nur auf slowenisch schreibende österreichische Autor seinen durch den Zweiten Weltkrieg nachhaltig geprägten Geschichtspessimismus zum Ausdruck. 

Der Autor mag durchaus recht damit haben, wenn er meint, dass die Menschheit, symbolisiert durch „das Dorf“ und „die Dörfler“ nichts aus dem Leiden vergangener Tage, insbesondere aus den bestialischen Geschehen in den Konzentrationslagern, aus den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gelernt haben. Schließlich hören wir alle Tage neu davon, in mehr oder weniger ähnlicher Konstellation. 

„Die Männer bleiben den Kriegen verbunden und idiotisch treu seit Entstehung des Menschen, es bedarf für sie nur eines kleinen Reizes, um sich dem Trieb hinzugeben.“ 

„Je länger die alte Herrschaft tot ist,umso lebendiger ist sie. Die Bevölkerung, deren Besonderheit darin besteht, dass sie sich nach Bedarf krümmt und verbiegt, die Schwachen unterwirft und sich vor den Starken verbeugt, diese Bevölkerung nimmt die einstigen Parolen wieder auf und verkündet die alten Grundsätze.“ 

Thematisch ist der „Totentanz“, wie man den Text auch bezeichnen könnte, in drei Abschnitte geteilt, die Zeit bevor sich ein Teil des Dorfes zu einem Gedächtnisgang zum Konzentrationslager, (wahrscheinlich) Ravensbrück aufmacht, die Zeit, die „der Gedächtnismarsch“ dort verweilt und die Zeit, die geschieht, wenn die Teilnehmer wieder zurück in ihr Dorf kommen. 

Einfach zu verstehen ist der Text nicht. Es sind Betrachtungen über das Leid und Einlassungen über die Bestie Mensch. Der Anteil des Textes, sein Herzstück sozusagen, der sich im Konzentrationslager abspielt, ist sehr eindringlich. Wie könnte es auch anders sein. Schwer zu ertragen, aber so soll es ja auch sein. 

Die Monotonie des Textes mag die Lagerwirklichkeit widerspiegeln. Es ist kein Wohlfühltext. Es ist sogar ein Text, der kaum zu durchdringen ist. Deshalb stellt sich natürlich die Frage, ob man ihn braucht und ja, auch die Frage, wer ihn braucht und ob der Text denjenigen erreichen kann, der ihn bräuchte – oder gerade eben jenen nicht! 

Fazit: Ein literarisch hochstehender Text, aus dem sich trefflich zitieren läßt, der aber seine Leser wird suchen müssen, wie die buchstäbliche Nadel im Heuhaufen. 

Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises, 2019
Verlag: Jung und Jung, 2019

Kommentare

Emswashed kommentierte am 13. Oktober 2019 um 09:38

Anspruchsvolle Literatur haben "jene" Leute bestimmt im Regal.... ganz jungfräulich. Irgendwann kommen die Erben und sortieren aus... dann ist meine Stunde gekommen!