Rezension

Gute Ansätze, (zu) einfache Lösungen

Die Magie der Lüge - Nicole Gozdek

Die Magie der Lüge
von Nicole Gozdek

Anderta Passario kann Wahrheit von Lüge unterschieden. Ihre Namensmagie ist die des Wahrheitsfindens. Umso entsetzter ist sie als sie eines Morgens erwacht und nichts mehr so ist, wie es einst war. Und noch schlimmer - kein Mensch außer ihr scheint sich an die andere, verlorene Wirklichkeit erinnern zu können. Ihr einziger Anhaltspunkt ist der andere Wahrheitsfinder, den es auf der Welt noch gibt. Von ihm wird sie ihre gestohlene Wirklichkeit zurückfordern.

Die Magie der Lüge bildet den zweiten Band zu zur Magie der Namen. Ich muss ein paar Dinge vorn weg schicken: Als ich Magie der Namen las, war ich zunächst beeindruckt vom Ideenreichtum der Autorin. Die Magie, die Stellung in der Gesellschaft und das eigene Leben war an den wahren Namen gebunden, den ein Kind im Jugendalter mit der Namensweihe erhält und sich dementsprechend wandelt. Enttäuschter war ich jedoch vom Ende, das meiner Ansicht nach viel zu abrupt und abgeschnitten erfolgte und mich ein bisschen fassungslos zurückließ. Das Ende - selbst wenn man es als Cliffhanger betrachtet - hat mich nicht glücklich gemacht und ich legte das Buch mit einem faden Beigeschmack zur Seite. Was geschieht nun mit Tir und Rus? Und bleibt die Veränderung der Wirklichkeit ohne Folgen?

Genau diese Fragen bewegten mich, doch nach dem 2. Band zu greifen.
Die Bauchschmerzen, die ich vor der Lektüre des Buches hatte, legten sich nach den ersten Seiten. Eine neue Protagonistin wurde vorgestellt, durch deren Augen wir in diesem Buch die Welt (und auch ein oder zwei Wirklichkeiten) erleben werden. Um ehrlich zu sein - ich war erleichtert, ich mochte die Protagonisten aus dem ersten Band sehr, aber unbelastet in den zweiten einsteigen zu können, tat meiner Leserseele eigentlich ganz gut. Ich lernte An kennen, ihre Diebereien und begleitete sie und ihren Partner auf ihrer Reise durchs Land. Sie ist eine Wahrheitsfinderin und vollkommen schockiert, als sie eines Morgens in einer vollkommen fremden Wirklichkeit aufwacht. Ich musste oft schmunzeln, als sie vor den alltäglichsten Dingen erschrak oder versuchte, die gestohlene Wirklichkeit zu erklären und von ihrem Umfeld nur Unglauben erntete als wäre sie verrückt geworden. Ich kann mir vorstellen, dass es für sie ein hartes Stück Arbeit war, den anderen die andere Wirklichkeit begreiflich zu machen. An dieser Stelle konnte ich richtig mit An mit fühlen, auch als sie beschließt, den einzig anderen Wahrheitsfinder zur Rede zu stellen - Tirasan Polliander, mit dem auch ich noch ein Hühnchen (oder zwei) zu rupfen hatte. Ab Mitte des Buches gehörten Tir und Rustan mit zur bunten und größeren Crew, um das Abenteuer ihres Lebens zu erleben.
Spannend, aufregend, und die alten Helden sind auch wieder mit von der Partie, auf dem Weg die Fragen zu klären, die mir unter den Nägeln brennen! Was kann ich mir mehr wünschen? Und trotzdem fällt mir die Beurteilung sehr sehr schwer.
Keine Frage - Ich mochte es. Ich mochte es wirklich! Der Schreibstil und Nicoles flüssige, farbenfrohe Sprache hat mich mitgenommen auf das Abenteuer. Ich habe es in Rekordzeit gelesen - da mich die Charaktere gezogen haben. Ich wollte unbedingt wissen, wie sich ihre Geschichten verweben. Diese Frage hat mich durchs Buch geleitet.
Was hat mich denn nun gestört?
Mit der Wirklichkeit zu spielen erfordert eine wirklich stimmiges, bis ins kleinste Detail durchdachtes Worldbuilding. Und daran habe ich mich gestoßen. Die Welt war fantastisch, keine Frage. Aber ich habe mich an Details gestoßen. Ist Tir wirklich mächtig genug, um die Erinnerungen aller Menschen zu verändern? Müsste es da nicht auch eine ganz andere gesellschaftliche Struktur geben, um Kinder plötzlich in die Gesellschaft zu integrieren? Keine Frage, das war im Hintergrund alles irgendwo vorhanden, aber wirklich in den Vordergrund transportiert wurde diese Tatsache nicht. Und das soll nur ein Beispiel sein.
Außerdem fand ich die ein oder andere Plotwendung etwas unglücklich verständlich gemacht - da taten sich Löcher auf, mal klein, mal schon ein bisschen größer, die mich beim Lauf durchs Buch stolpern und inne halten ließen. Für mich war der Plot einfach nicht rund. Durch die Seitenzahl bedingt, ist mir vieles auch nicht ausführlich genug beleuchtet worden. Nicole wollte auch Tirs Gefühlswelt deutlich machen, was aber nur mäßig gelungen ist, da das Buch ja aus Ans Perspektive erzählt wird.

„Die Magie der Lügen“ empfand ich als deutlich besser als „Die Magie der Namen“ (das Vorgängerbuch war wirklich mit der heißen Nadel gestrickt!). Nicole Gozdek hat mich mitgenommen auf eine farbenfrohe Reise, mit einigen Löchern, in die ich nur gar zu gerne getappt bin. Deshalb vergebe ich 3,5 Sterne für dieses Buch.