Rezension

Gute Grundidee, schlechte Umsetzung (spannungsarm, irrationales Verhalten, unsympathische Figuren)!

COLDTOWN - Stadt der Unsterblichkeit - Holly Black

COLDTOWN - Stadt der Unsterblichkeit
von Holly Black

~ Gute Grundidee, schlechte Umsetzung! Die letzten 150 „okayen“ Seiten können nicht das aufwiegen, was davor spannungs-, logik- und charaktertechnisch verbrochen wurde. Um „Coldtown“ können Vampirfans also guten Gewissens einen Bogen machen, lest lieber etwas, das deutlich besser ist – wie zum Beispiel „Twilight“ von Stephenie Meyer. Ja, das meine ich ernst. Ja, wirklich! JAHA! ;) ~

Inhalt

Tana überlebt zusammen mit ihrem Ex-Freund Aidan als Einzige einen Vampirangriff auf eine Party. Leider hat Aidan sich dabei mit dem Vampir-Virus angesteckt und auch Tana könnte es schon in sich tragen. Um ihre Familie zu schützen und sich selbst in Quarantäne zu begeben, macht sie sich deshalb auf den Weg in eine der gefährlichen Coldtowns – eine Stadt, die hauptsächlich von Vampiren bevölkert wird…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurze und lange Kapitel im Wechsel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt, Suizidgedanken, psychische Krankheiten
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++ (2x)

Rezension

„Die Menschen liebten hübsche Dinge. Die Menschen liebten Schönes auch noch, wenn es sie töten und fressen wollte.“ E-Book, Seite 124

Nach längerer Zeit hatte ich mal wieder richtig Lust auf einen Vampirroman – und „Coldtown“ (mit seinem düsteren Klappentext und den garantiert nicht glitzernden Untoten) versprach ein richtig guter zu werden. Böse (und süffisante) Zungen werden nun vielleicht behaupten, ich hätte die Zeichen und, okay, auch so manche DEUTLICHE Warnung ignoriert, aber ich wollte mich von den (vor allem im deutschsprachigen Raum) ernüchterten Rezensionen nicht abschrecken lassen, denn es klang einfach SO gut. Zu gut. Zu gut, um wahr zu sein, genauer gesagt, wie ich auch bald merken sollte.

„In jeder Coldtown sterben jede Nacht Menschen. Menschen sind empfindlich.“ E-Book, Seite 280

Doch woran lag es? Hauptsächlich an den Figuren. Leider kombiniert Holly Black in ihrem Debüt farblose, klischeehafte, extrem unsympathische Nebenfiguren, deren Schicksal einem von Anfang an egal ist (und es auch bleibt), mit einer sich vollkommen irrational verhaltenden, nervigen Hauptfigur ohne jegliche Überlebensinstinkte, die sich noch dazu schneller schockverliebt als ihr Schatten. Vor allem in den ersten zwei Dritteln des Buches stolpert sie durch ihre eigenen (teils vollkommen hirnrissigen) Entscheidungen von einer gefährlichen Situation in die nächste, sodass ich beim Lesen aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr herauskam.

Am Beginn fängt es schon an: Stellt euch vor, fast alle eure Freund:innen wurden in der Nacht von Vampiren getötet, ihr habt aber überlebt und findet im Schlafzimmer einen gefesselten Vampir vor. Was würdet ihr machen? Wenn ihr einen Funken Vernunft und Hausverstand in euch habt, vermutlich so schnell wie möglich aus diesem Haus voller Leichen ins Tageslicht rennen? Tja, Tana beschließt, ihr Leben zu riskieren und diesen Vampir zu befreien (der möglicherweise diese ganzen Leute getötet hat), weil … SIE HAT DA EIN GUTES BAUCHGEFÜHL UND ER TUT IHR AUCH IRGENDWIE LEID. Das ist nur eine von unzähligen dummen Ideen, die sie im Laufe der Geschichte hat. Wäre das hier WIRKLICH ein realistischer, düsterer Vampirroman (und nicht das blutleere Klischee-Feuerwerk, das er ist), hätte Tana bereits ihre erste törichte Aktion nicht überlebt – ich sag es ja nur.

„Je mehr sie über die Sache nachdachte, desto blöder kam sie sich vor.“ E-Book, Seite 193

Dazu kommt, dass in den ersten 250 Seiten nach dem (immerhin) spannenden Einstieg bis auf einen sehr langweiligen Roadtrip so gut wie gar nichts passiert. Für mich war dieses Buch jedenfalls eine Geduldsprobe – ich war eigentlich die ganze Zeit kurz davor, es abzubrechen. Auch die relativ oberflächlich bleibende Behandlung von Themen wie Trauer, Schuld, Verantwortung und Erwachsenwerden ließ mich enttäuscht zurück. Die größte Enttäuschung im Zusammenhang mit diesem Buch ist aber immer noch JOHN GREENS Empfehlung! Was ist denn bloß in den gefahren? Ich habe DIR VERTRAUT, John! Naja, ab jetzt nicht mehr…

Zum Positiven: Dass ich dann doch durchgehalten habe, hat sich zumindest ein bisschen gelohnt. Erst im letzten Viertel kommt dann endlich ein bisschen Schwung in die Geschichte und es gibt sogar so etwas wie eine Handlung. Auch die Heldin Tana scheint dann endlich ihr Gehirn einzuschalten und ich konnte ihr Verhalten besser nachvollziehen, genauso wie die Liebesgeschichte, die nach und nach glaubwürdiger wird. Aus feministischer Sicht gibt es hier  ebenfalls nichts auszusetzen – im Gegenteil, die unaufgeregte LGBT-Repräsentation ist sogar positiv hervorzuheben.

Auch wenn es tragisch und sehr schade ist, wie Holly Black mit dieser grandiosen Grundidee umgegangen ist (daraus hätte man so viel machen können!), erkennt man doch ihr Potential – zum Beispiel in den düsteren, sehr blutigen (Achtung!) und atmosphärischen Beschreibungen der gefährlichen Coldtown und in ihrem zwar nicht grandiosen, aber doch sehr flüssig lesbaren Schreibstil. Ich werde der Autorin definitiv mit „Elfenkrone“ noch eine zweite Chance geben – vielleicht überzeugt sie mich ja damit…

Mein Fazit

Gute Grundidee, schlechte Umsetzung! Die letzten 150 „okayen“ Seiten können nicht das aufwiegen, was davor spannungs-, logik- und charaktertechnisch verbrochen wurde. Um „Coldtown“ können Vampirfans also guten Gewissens einen Bogen machen, lest lieber etwas, das deutlich besser ist – wie zum Beispiel „Twilight“ von Stephenie Meyer. Ja, das meine ich ernst. Ja, wirklich! JAHA! ;)  

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonistin: 2 Sterne
Figuren: 1 Stern
Liebesgeschichte: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 1 Stern
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb enttäuschte Sterne!