Rezension

Guter Ansatz, mittelmäßige Umsetzung

Das Testament der Jessie Lamb - Jane Rogers

Das Testament der Jessie Lamb
von Jane Rogers

Ich muss mit dem Cover beginnen: Natürlich gibt es sicherlich wieder diese Aufschreie wegen einem Mädchenkopf, das gibt es schon tausendfach, usw. Das stimmt. Nichtsdestotrotz fasziniert mich das Coverbild sehr - der intensive Blick, die Sommersprossen, die dunklen Lippen, für mich ein wundervolles Cover, das mich wirklich in den Bann zieht.
Jedoch stelle ich mir so keinesfalls die Protagonistin vor. Jedenfalls nicht die von Jane Rogers beschriebene Jessie. Aber dazu später mehr.
Die Idee des Buches finde ich toll, ein super Ansatz für eine Dystopie und eine schreckliche Vorstellung, oder? Eine Krankheit, die verhindert, dass die Menschheit sich fortpflanzen kann, eine Welt, die langsam dadurch in das Chaos versinkt, in der sich das Benehmen der Menschen ändert. Aber auch eine Welt, die interessant wäre für einen Autor, für 'psychologische Studien' und die Gefühle der Menschen. Und dann kommt Jessie. Protagonistin, Ich-Erzählerin, Egoistin. Mir ist dieser Charakter dermaßen unsympathisch und das Handeln dermaßen unverständlich. Diese tollen Ansätze der Geschichte blitzen immer wieder durch und kommen doch nicht zur Geltung, weil Protagonistin Jessie mit ihrem dumpfen Art alles unterdrückt. Ich kann gar nicht sagen, wo ich anfangen soll, doch hier schon mal ein Fazit meinerseits: Ich hätte mir einen anderen Protagonisten gewünscht.
Jessies Handlungen sind oft sehr abrupt, man kann es auch schon als willkürlich bezeichnen. Obwohl man hier eine Ich-Erzählerin hat, sind die Gefühle angesichts der Krankheit und der damit verbundenen Opfer eher... mager. Ups, jemand gestorben? Macht nichts, interessiert mich ja doch nicht.
Und gerade das Ende... es fehlt mir da einfach etwas. Die Begründungen, die wahren Gründe, die tiefergehenden Gedanken dazu, der Sinn, Jessies Gefühle. 
Auch die politischen Gruppen, die angesichts der Katastrophe aktiv werden, hätten mehr behandelt werden können. Plötzlich taucht eine neue Organisation auf, Jessie kennt sie, ich als Leserin war dann eher etwas überrascht. Habe ich was überlesen? Nein.
Übrigens hätte es sogar eine Figur gegeben, die spontan für mich die interessantere Protagonistin gewesen wäre: Lisa. Ihr Hintergrund, ihr Auftreten, ihre Meinung, ihre Pläne - alles deutlich interessanter als Jessies seltsame Gedankengänge.

Fazit

Eine gute Idee, von der ich mehr erwartet hätte (auch wenn ich durch Rezensionen schon ahnte, dass das Potenzial nicht ausgenutzt wird), und eine Protagonistin, die alle guten Ansätze im Keim durch ihren Charakter erstickt.