Rezension

Handlung wild konstruiert, Protagonisten gleichen Comicfiguren

Der Turm der blauen Pferde - Bernhard Jaumann

Der Turm der blauen Pferde
von Bernhard Jaumann

Bewertet mit 2 Sternen

Im gleichnamigen Buch des mit dem Friedrich-Glauser- und dem Deutschen Krimipreis ausgezeichneten Kriminalschriftstellers Bernhard Jaumann (61) geht es natürlich um das weltbekannte Gemälde „Der Turm der blauen Pferde“ des Expressionisten Franz Marc (1880-1916), das seit 1945 verschollen und wohl für immer verloren ist. Eingebettet in eine locker geschriebene Handlung um den möglichen Verbleib dieses Kunstwerks, aufbauend auf historischen Fakten, ist Jaumanns Krimi zugleich eine kritische, zumindest augenzwinkernde Auseinandersetzung mit der Kunst im Allgemeinen und deren kommerzieller Vermarktung, die – so verstehe ich das im Januar beim Berliner Verlag Galiani veröffentlichte Taschenbuch – in ungerechtfertigter Weise zu überzogenen Spitzenpreisen einzelner Meisterwerke führt.

Die kleine Münchner Kunstdetektei des Rupert von Schleewitz bekommt den Auftrag, die Herkunftsgeschichte des seit Kriegsende verschollenen und nun plötzlich im Besitz eines reichen Industriellen aufgetauchten Gemäldes herauszufinden. Man weiß, dass es 1913 gemalt wurde, aus der bekannten Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 entfernt wurde und mit anderen Gemälden in den Besitz Hermann Görings kam. Nach Kriegsende soll es 1945 und auch noch drei Jahre später in Berlin gesichtet worden sein. Doch dies und alles weitere ist reine Spekulation. Bis heute blieb „Der Turm der blauen Pferde“ verschollen.

Hier setzt der Autor fiktiv an und erzählt uns die weitere Geschichte des Bildes: Zwei Hitlerjungen entdecken in den letzten Kriegstagen das Gemälde in einem Zug voller Kunstschätze, der in einem Berchtesgadener Bergtunnel verborgen ist. Einer der beiden ist vom „Turm der blauen Pferde“ so fasziniert, dass er im Streit seinen Kameraden erschlägt, nur um in den Besitz des Gemäldes zu kommen. Immer wieder erfahren wir durch die in die aktuelle Handlung kapitelweise eingestreuten Rückblenden etwas mehr über den angeblichen Verbleib des Kunstwerks seit 1945. Dies alles sollen nun die vom Industriellen beauftragten Detektive herausfinden und ihm damit die Echtheit des Gemäldes garantieren, die von Kunstexperten vehement bestritten wird. Am Schluss des Romans werden sogar sieben Exemplare des Gemäldes entdeckt, eines genau so perfekt gemalt wie das andere. Welches ist nun das echte? Oder sind alle doch nur Fäschungen? Verliert das Original seinen mehrfachen Millionenwert, wenn es mehrere, täuschend echte Kopien gibt? Was macht also den Wert eines Malers und seines Gemäldes aus, wenn ein Kopist doch genau so gut malt?

„Der Turm der blauen Pferde“ ist ein unterhaltsamer, wenn auch stellenweise ziemlich alberner Krimi. Die Idee einer spannenden Geschichte aus der Welt der Kunst wäre tatsächlich ein seltener und deshalb interessanter Ansatz für einen Kriminalroman, weshalb ich mich auch für diese Neuerscheinung entschieden hatte. Doch leider ist hier die Handlung wild konstruiert und stark überzeichnet. Jaumanns Protagonisten sind allzu klischeehaft und oberflächlich wie Comicfiguren. Viele Buchseiten behandeln die reale Historie des berühmten Gemäldes, erscheinen in ihrer Sachlichkeit aber fast aus Wikipedia abgeschrieben, was zu einem stilistischen Bruch im Roman führt. Amüsant zu lesen, ist allerdings Jaumanns kritische Betrachtung der Kunstszene und der für Laien unerklärlichen Wertangaben mancher Kunstwerke. Beim Lesen solcher Passagen fällt einem die bekannte Frage ein: „Ist das Kunst? Oder kann das weg?“ Gleiches muss man sich leider auch bei Jaumanns Buch fragen. „Der Turm der blauen Pferde“ war mein erster Krimi von ihm und Band 1 seiner neuen Krimireihe um die kleine Münchner Kunstdetektei. Weitere Bände sollen also folgen? Seinen Auszeichnungen nach zu urteilen, muss Jaumann schon bessere Krimis geschrieben haben.