Rezension

Henni und die Babyklappe *****

Wie ein Stern in mondloser Nacht -

Wie ein Stern in mondloser Nacht
von Marie Sand

Bewertet mit 5 Sternen

Hennis Geschichte beginnt im Berlin der 1940er-Jahre. Das Schicksal will, dass sie sich für eine Ausbildung zur Hebamme entschließt, einen Beruf, den sie voller Hingabe und Fürsorge für Mütter und Kinder ausübt. Allein, es gibt Mütter, welche sich nicht um ihr Neugeborenes kümmern können oder wollen und es in der nächsten Mülltonne entsorgen, ja sogar töten. Um diesen Geschöpfen eine Zukunft zu bieten, stellt Henni kurzerhand im Hinterhof eine Obstkiste auf – und findet alsbald tatsächlich ein lebendes Kind darin. Die Idee der Babyklappe funktioniert, jedoch an der Grenze zur Legalität.

Berührend und zu Herzen gehend lesen sich Marie Sands Zeilen. Henni wird als starke und tatkräftige Frau beschrieben, obwohl sie es selbst schwer hat im Leben und Rückschläge verkraften muss. Aber was sie sich in den Kopf setzt, nämlich umschuldigen Kindern eine Zukunft zu bieten, das führt sie auch durch. Eine zweite Zeitebene im Jahr 2000 ergänzt Hennis Anstrengungen und zeigt anhand der Journalistin Liv, dass die Babyklappe allein noch nicht alle Probleme löst, denn Liv sehnt sich als Adoptivkind 45 Jahre nach ihrer Geburt nach ihren Wurzeln, nach ihrer leiblichen Mutter.

Marie Sand findet immer die richtigen Worte, baut ein nötiges Maß an Spannung ein, um die  beeindruckende Geschichte von Henni Bartholdy zu erzählen. Sie schildert die Gegensätze zwischen Arm und Reich, Standesunterschiede, welche kaum überwindbar sind und den aufopferungsvollen Alltag einer Hebamme mit Leib und Seele. Auch die juristischen Probleme einer Babykiste werden eindrücklich erklärt, denn Henni ist mit einer Anwältin befreundet, wodurch auch dieser Blickwinkel im Roman beleuchtet werden kann. Bildreich und berührend fließen die Kapitel dahin, ein unregelmäßiger Wechsel zwischen den 1950er-Jahren und 2000 sorgt für Abwechslung und steigende Neugierde. Absolut glaubwürdig und lebensnah präsentiert die Autorin ihre Szenen, sodass die Gefühle durcheinandergewirbelt werden, man sich bald völlig verlieren kann zwischen den Zeilen, und den Roman kaum aus der Hand legen mag.

Ein wunderbares Buch über die Liebe zwischen Eltern und Kind und einer Hebamme, die handelt, statt zu schweigen, obwohl sie selbst schwer trägt an ihrer Vergangenheit. Ein Buch für ruhige, recht nachdenkliche Stunden, das ich uneingeschränkt empfehle!