Rezension

Herausragender Thriller

Turmschatten - Peter Grandl

Turmschatten
von Peter Grandl

Bewertet mit 5 Sternen

Peter Grandls Debütroman TURMSCHATTEN, nach fünf Jahren Arbeit, eine Mischung von Fiktion und gut recherchierten Fakten ist nicht nur ein herausragender Thriller, sondern bedrückt ebenso mit seinem Realismus. 

Als Marketingfachmann versteht es Peter Grandl, das Interesse an seinem Thriller bereits mit Intro auf dem Buchrücken zu wecken: Selbstjustiz und Neonazis. Doch es ist weit mehr, viel umfassender und tiefgehender.

Auf 37 Kapiteln, von 1945 bis in die Jetztzeit des Thrillers 2010, 65 Jahre im Leben des 72jährigen Ephraim Zamir, Überlebender des Holocaust. Er hat in einem kleinen Städtchen einen alten Turm für seine Wohnzwecke und seine junge Haushälterin Esther umbauen lassen. Er möchte dort den Bau einer Synagoge finanzieren. Vier Neonazis wollen Zamir im Turm „einen Besuch abstatten“. Mit List gelangen sie in den schwer gesicherten Turm, nur Esther ist anwesend und wird erschossen, den 13jährigen Mörder schicken sie nach Hause, die anderen Drei wollen Zamir ebenfalls töten. Doch es kommt völlig anders, als es sich die drei Neonazis vorgestellt haben. Zamir ein ehemaliger Agent des israelischen Mossad kann die drei überwältigen und stellt alle drei vor sein privates Gericht: Der „Prozess“ wird live im TV übertragen mit Publikumsabstimmung TOD oder LEBEN für ihre Verbrechen (Ähnlich dem Voting bekannt aus den TV-Serien mit: „Castle“, „Gone” und “Profiling Paris”).

Vor dem Turm geben sich nun ein Stelldichein: Polizei, LKA, BKA, BND, der Innenminister (sehr spät, hat wahrscheinlich lange nach dem richtigen Outfit gesucht) und das Militär mit „interessiertem“ Publikum. Die Frage lautet: „Turm stürmen, wer, wann und wie?“ Eindeutig der Hinweis, dass im Militär offener Antisemitismus verbreitet ist.

Grandl legt aber auch Schwerpunkt auf den Hintergrund und der persönlichen Entwicklung der vier Neonazis. Es entsteht der Eindruck, dass die Neonaziszene alles andere als eine homogene Gruppe ist. Sehr wohl wird das eigene Handeln hinterfragt und es existieren Ausstiegsgedanken. Auf die nicht chronologischen Datumsangaben unter der Kapitelüberschrift ist zu achten, denn es handelt sich hierbei um Rückblicke in das Leben der Protagonisten.

Genüsslich lässt sich Grandl über die Sensationsgeilheit des Programmdirektors des Privatsenders, der den „Prozess“ überträgt, aus und über die im wahrsten Sinn des Wortes „wildesten Spekulationen der Pseudoexperten.“ Aber solange dieser Trash ein Fernsehpublikum findet und Quoten erreicht werden, gilt das Prinzip: Nachfrage erfordert Angebot. Seitenhieb auf die Auswahl von Moderatorinnen, ausschlaggebend für ein Engagement seien die „hervorragenden“ Körperteile, ... Marc macht dieses Prinzip zu seiner Maxime: 90 % nonverbal und 10% verbal.

Fiktion-Realität-Dilemma: Fiktion gibt dem Autor völlige Freiheit für das Script, gemäß dem Motto: „Personen und Handlung sind frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.“ Es gibt für den Leser nicht den geringsten Grund den Inhalt des Romans zu kritisieren. Es ist, wie es geschrieben ist. Eine Handlung mit Realitätsbezug lässt sich vom Leser genau recherchieren und kontrollieren, der Autor hat keine schriftstellerische Freiheit und muss sich an die Fakten halten. Es ist, wie es geschehen ist. In Richtung Sachbuch mit Quellenverzeichnis.

Selbstjustiz: In einem Rechtsstaat kann man nicht dafür sein. Und dort wo der Rechtsstatt versagt? Filmtipps zum Thema: „Catos Land“, „Kill Bill“ und „John Wick.“

Aufklärende Literatur über die Neonazi-Szene in Norwegen ist Pflichtlektüre in deren Schulen.

Peter Grandls Triller TURMSCHATTEN ist für mich ein literarisches Highlight, thematisch ein Schlaglicht auf die Neonazi-Szene wirft, aber nicht oberflächlich, sondern mit Tiefgang, der den betroffenen Leser zum Nachdenken zwingt.

Selbst wenn Grandl die verbrecherische Neonazi-Szene anonymisiert hätte ohne nachprüfbare Fakten, es wäre ein herausragender Thriller entstanden.

„Ausländer raus aus Deutschland, raus aus Europa, und übrigens, es gibt zu viele Ausländer auf der Welt“ (NN).