Rezension

Hörgenuss für Buchliebhaber

84, Charing Cross Road - Helene Hanff

84, Charing Cross Road
von Helene Hanff

Helene Hanff schrieb seit den 1930er Jahren Theaterstücke und später auch Fernsehstücke. Als sie 1970 ihren Briefwechsel mit dem Londoner Antiquariat Marks&Co. und besonders dessen Haupteinkäufer Frank Doel veröffentlichte, wurde dieses Buch in England und den USA ein Überraschungserfolg. [HanffCharingCrossHörbuch] Die Briefe erzählen von einer tiefen Freundschaft, die sich aus einer zunächst geschäftlichen Korrespondenz zwischen Helene Hanff und Frank Doel entwickelte. Sie benötigte günstige, größtenteils vergriffene Bücher, meist Sachbücher und Aussatzsammlungen, die ihr das Londoner Antiquariat zuverlässig und in guter Qualität zukommen lies. Mag diese Art der Korrespondenz zunächst wenig Reiz vermuten, so ist es der Schreibstil der jungen, humorvollen und durchaus etwas stürmischen Helene, der auf den distinguierten britischen Stil von Frank trifft, der diese Briefe schnell zu einer Sucht werden lässt. Man spürt das literarische Wissen, die Liebe für Bücher und genießt Helenes Schwärmereien über Goldschnitte und lederne Einbände.
Auf der anderen Seite erfährt man sehr viel über das Nachkriegsengland der späten 40er und frühen 50er Jahre. Die junge Autorin möchte ihrem Brieffreund und der Belegschaft von Marks&Co. im kriegsgebeutelten England gern an den Feiertagen etwas Gutes tun und beschenkt sie mit frischen Eiern und Dosenfleisch. Die rührenden Antwortbriefe haben mich wirklich gerührt. Selten bekommt man so unmittelbar Einblick in die Lebenswirklichkeit der Menschen wie über gute Briefe. – Und die Briefe von Frank und Helene sind gut! Ausgesprochen gut und witzig. Ich hätte ihnen gern noch viel länger gelauscht, denn für mich war die Briefauswahl viel, viel zu kurz.
Das Hörbuch ist insgesamt zwei Stunden lang, gekürzt – wie eben schon angedeutet und wird von einigen weiblichen Sprecherinnen und einem männlichen Sprecher gelesen. Jeder Briefpartner bekommt also seine eigene Stimme und gerade die Sprecherin von Helene Hanffs Briefen spricht so umittelbar, expressiv, eindringlich und dabei unheimlich lässig – authentisch, dass es eine wahre Freude ist ihr zuzuhören. Aus die anderen Sprecher sind gut, doch finde ich den Frank etwas zu “alt”. Besonders am Anfang klingt es nach einem enormen Altersunterschied zwischen den beiden, was gar nicht der Fall gewesen ist. Das gibt ihm ein wenig ein großväterliches Image, das nicht recht zum Inhalt passen wollte.

Fazit: Großartig! Ich bin völlig begeistert von dieser ungewöhnlichen Brieffreundschaft und den tiefen Einblicken in die 40er und 50er Jahre in London und New York. Helene Hanff muss eine ganz wundervolle Person gewesen sein und einem herrlichen Humor. Diese Briefsammlung ist kurzweilig und einprägsam. Als Hörbuch durch die besondere Sprecherleistung ein zusätzliches Highlight.