Rezension

Ich hätte mir mehr Emotionen gewünscht

Einer da oben hasst mich
von Hollis Seamon

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:
Der 17-jährige Richard hat Krebs. Er verbringt seine letzten Lebenstage in einem Hospiz. Keine Therapien mehr, keine lebensverlängernden Maßnahmen. Richard verweigert sogar die Nahrungsaufnahme. Trotzdem will er seine letzten Tage noch einmal so richtig ausnutzen. Auch Sylvie, 15 Jahre alt, wartet in dem Hospiz auf den Tod. Zusammen stellen die beiden einiges auf die Beine, was diese Station noch nie gesehen hat.

Meine Meinung:
Nachdem mir „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green super gut gefallen hat, habe ich mich voller Elan auf den Roman von Hollis Seamon gestürzt. Leider kommt er an das Buch von John Green nicht ganz heran.

Der Schreibstil ist einfach und locker, leicht zu lesen. Richie erzählt in der Ich-Form in einem etwas flapsigen Ton. Dadurch wird der schlimme Inhalt des Buches etwas abgemildert und für den Leser erträglicher. Aber keine Angst, es wird nichts ins Lächerliche gezogen.

Richie hat einige Erlebnisse innerhalb und außerhalb des Hospizes, die nett zu lesen sind. Klasse fand ich zum Beispiel den Ausflug mit seinem abgedrehten Onkel Phil. Auch die Großmutter hat es faustdick hinter den Ohren. Richies Mutter hat ausgerechnet jetzt die Grippe und darf ihn nicht einmal besuchen, was Richie aber ganz recht ist, fühlt er sich im Hospiz doch sowieso schon um seine Privatsphäre betrogen.

Mit Sylvie verbindet ihn eine Liebe, die ich allerdings nicht nachvollziehen konnte. Diese „Liebe“ schien mir eher wie ein Zweckbündnis, da sonst keine Jugendlichen in der Nähe waren. Die beiden kennen sich am Anfang des Buches maximal zwei Wochen. Wie kann man da von Liebe sprechen? Zumal sie auch auf der Station die meiste Zeit in ihren Betten verbringen und kaum Kontakt zueinander haben. Auch gefühlsmäßig kam diese Liebe nicht wirklich rüber. Immer wenn es spannend wurde, kam ein Ausspruch wie: „Ihr müsst das hier aber nicht im Einzelnen erfahren. […] Wie ich zu ihr spreche und ihr sage, dass ich sie liebe und das alles.“ (S. 237) Das wirkte auf mich einfach so unpersönlich und wenig emotional. Im Prinzip geht es hier mehr um Sex als um Liebe, um das „erste Mal“, das auch Todgeweihte nicht missen wollen. Mir persönlich hat der Sex hier eine zu große Rolle eingenommen, aber ich bin ja auch nicht mehr so hormongeladen wie Jugendliche, die die Zielgruppe dieses Romans sind. Für sie könnte es genau richtig und ansprechend sein.

Gut gefallen hat mir dagegen, dass Richie den Leser immer wieder direkt anspricht. Dadurch wird man einfach tiefer in die Geschichte hineingezogen und fühlt sich vor allem dem Protagonisten verbunden.

Das Buch macht einen auf jeden Fall nachdenklich und wirft verschiedene Fragen auf, zum Beispiel, wann ein Leben lebenswert ist oder ob man lieber vorsichtig und gelangweilt ein paar Tage länger leben will oder das Leben genießen, auch wenn es wertvolle Lebenszeit kostet.