Rezension

Inselsommer in der Künstlerkolonie

Sommer der Träumer
von Polly Samson

Bewertet mit 3 Sternen

Kurz bevor Erica achtzehn Jahre alt wird, stirbt ihre Mutter und hinterlässt ihr ein gefülltes Sparbuch. Um dem despotischen Vater zu entfliehen, reist Erica mit ihrem Bruder und ihrem Freund Jimmy auf die griechische Insel Hydra, wo Charmian Clift, eine Freundin ihrer Mutter lebt. In der Künstlergemeinde um die charismatische Charmian fühlt sich Erica wohl und erlebt einen wunderbaren Sommer voller Freiheit und Freizügigkeit. Charmian ist dabei ihr großes Vorbild, das Erica mit jugendlicher Naivität bewundert ohne die Schattenseiten dieses Lebens wahr zu nehmen.

"Sommer der Träumer" von Polly Samson hat mich aufgrund einer Leseprobe in seinen Bann gezogen. Doch leider verliert sich die Spannung im Lauf der Geschichte, die Handlung plätschert eher gemächlich vor sich hin. Viele der Künstler, die Erica kennen lernt, sind reale Personen, die tatsächlich in den 60ger Jahren auf Hydra gelebt haben, Charmian Clift, ihr Ehemann George Johnston, Leonard Cohen, Marianne Ihlen, Axel Jensen - um nur einige zu nennen. Alle diese Figuren lässt Polly Samson für den Leser nahbar werden, doch einige Erzählstränge fand ich sehr oberflächlich abgehandelt. Über die Beziehung zwischen Leonard Cohen und Marianne Ihlen hat mir ein kurzer Wikipedia-Artikel mehr verraten, als dieses Buch, obwohl der Anfang der Geschichte bei mir den Eindruck hinterlassen hatte, dass sie zu den zentralen Figuren gehören würden.

Wunderbar beschrieben ist der Hintergrund, beim Lesen habe ich direkt Lust bekommen, einmal nach Hydra zu reisen, die Insel scheint der Autorin am Herzen zu liegen. Auch den Schreibstil habe ich gemocht, der Roman ließ sich locker lesen, nur hätte ich mir etwas mehr Spannung gewünscht. Vor dem Ende gab es noch einen Zeitsprung um zehn Jahre, diesen Abschnitt habe ich als sehr unrund empfunden. Es schien mir, als ob dort noch einige notwendige Informationen unter gebracht werden mussten, doch es fügte sich nicht wirklich gut in die Handlung ein. Dabei hatte ich durchaus den Eindruck, dass Polly Samson ihr Handwerk versteht, es gab immer wieder Stellen, an denen ich tief in die Geschichte eingetaucht bin, aber gerade die Protagonistin war meiner Meinung nach zu blass dargestellt. Sicher, sie ist die Beobachterin, aus deren Blick der Leser die Kolonie der Träumer betrachtet, doch etwas mehr Persönlichkeit hätte ihr nicht geschadet.

Fazit: Mit etwas mehr Tiefgang hätte dieses Buch ein faszinierendes Bild der Künstlerkolonie in den frühen sechziger Jahren zeichnen können, leider blieb es stellenweise oberflächlich und blass, so dass es für mich zwar ganz nett zu lesen, aber nicht unbedingt notwendig war.