Rezension

Intensiv und persönlich

Im Wasser sind wir schwerelos -

Im Wasser sind wir schwerelos
von Tomasz Jedrowski

Bewertet mit 4 Sternen

Mein Leben, ein schmaler Tunnel in eine Richtung

„Ich war wie ein losgemachtes Schiff, das endlich seinen Hafen verlassen hatte und dann ohne eigene Kontrolle vom Wind herumgeschubst wurde.“

Inhalt

Ludwik wächst im kommunistischen Polen der 1980 er Jahre auf und merkt schon früh, dass er homosexuell ist. Für Mädchen kann er nicht mehr als Freundschaft empfinden, ein Umstand, der erst in seinem jungen Erwachsenenleben unhaltbar wird, denn wem soll er davon erzählen und wie kann man eine gleichgeschlechtliche Beziehung überhaupt leben? Als er schließlich Janusz begegnet und endlich all seine Emotionen teilen kann, weil der andere ebenso empfindet, könnte die Welt so schön und erfüllt sein. Aber die beiden Männer haben ganz verschiedene Ansichten, während Ludwik überlegt, wie er dem engen politischen System entfliehen kann, möchte Janusz sich anpassen und einfach nur im Rahmen seiner Möglichkeiten zufrieden sein. Schnell wird klar, dass sich auf diesem Fundament keine langjährige Partnerschaft aufbauen lässt und so geht der Sommer voller Unbeschwertheit dahin und bleibt bald nur noch eine Erinnerung …

Meinung

Der Debütroman des jungen Autors Tomasz Jedrowski, konnte bereits zahlreiche Leser für sich gewinnen und wurde in Großbritannien von der Kritik gefeiert. Ich selbst bin durch zahlreiche positive Rezensionen auf diesen Roman aufmerksam geworden, der sehr melancholisch und nah am Gefühlsleben seiner Protagonisten über eine schwierige, fast irreale Beziehung berichtet. Und da ich genau solche Coming-of-Age Bücher bevorzuge, hat sich die Auswahl definitiv gelohnt.

Das große Plus der Erzählung ist nicht nur ein fließender, ausgewogener Schreibstil, der sich richtig gut lesen lässt und dennoch Ansprüche hegt, sondern die dramatische, bewegende Geschichte, die zwar voller Optimismus beginnt, sich aber bald zwischen den gesellschaftlichen Konventionen und den unterschiedlichen Lebensentwürfen zerreibt. Dadurch wirkt der Text ausgesprochen realistisch, beschönigt nichts, offenbart tiefe Gefühle und zeigt die verschiedenen Facetten einer schwierigen Beziehung, der es in gewisser Weise an Akzeptanz und Möglichkeiten fehlt.

Der Protagonist tritt als Erzähler auf, wodurch jede Szene ungefiltert und empathisch wirkt. Dieser intensive Blickwinkel, die manchmal konfrontativen Gedanken und zwischen den Zeilen eine langjährige Traurigkeit, die sich vielmehr aus der Erinnerung speist, machen es dem Leser leicht, sich zu identifizieren und Partei zu ergreifen, für einen jungen Mann, der ganz klare Werte und Präferenzen hat. Was mir nicht ganz so gut gefallen hat und das eine fehlende Sternchen zur vollen Bewertungsskala ausmacht, ist die indirekte Wahl eines Adressaten. Denn Ludwik wendet sich direkt an seinen Geliebten, schreibt kontinuierlich in der Du-Form und dadurch richtet sich jedes Wort an jenen jungen Mann, der eben nicht so eindeutig und nachhaltig zu der gemeinsamen Liebe stehen kann, wie der Erzähler selbst.

Dadurch habe ich mich trotz der offenen Erzählstruktur mit einer breiten Palette an Gedanken und einer vielschichtigen Beobachtungsgabe immer irgendwie ausgeschlossen gefühlt. Ludwik personalisiert, er sucht weder einen Ausweg noch einen Schuldigen, aber irgendwie sucht er auch nicht das Verständnis des Lesers, sondern vielmehr die Auseinandersetzung mit einer unglücklichen Liebesbeziehung, die zahlreiche Spuren hinterlassen hat.

Fazit

Ein sehr gefühlvoller, nachhaltiger Roman über eine tragische Liebesbeziehung, die die spürbare Zerrissenheit der Akteure deutlich macht und unabhängig von der Beschreibung einer homosexuellen Partnerschaft sehr intensiv die Gefühlswelt der Beteiligten beschreibt. Ich vergebe gerne gute 4 Lesesterne und eine Leseempfehlung, für ein besonderes, einprägsames Buch, dem man mit innerer Überzeugung sicher noch mehr entnehmen kann, als auf den ersten Blick erkennbar.