Rezension

Liebe in Zeiten des Verbots

Im Wasser sind wir schwerelos -

Im Wasser sind wir schwerelos
von Tomasz Jedrowski

Bewertet mit 5 Sternen

„Ich weiß nicht, ob ich möchte, dass du all das irgendwann liest, aber ich weiß, dass ich es aufschreiben muss.“

Vor einem Jahr hat Ludwik Glowacki Polen verlassen. Nun lebt er in den Vereinigten Staaten. Er verfolgt in den Nachrichten die beunruhigenden Ereignisse in seiner Heimat, nach dem das Kriegsrecht ausgerufen wurde. Ludwik beginnt über sein früheres Leben nachzudenken, über seine Kindheit mit Mutter und Großmutter, über seine Studentenzeit, und vor allem über seine große Liebe zu Janusz.

Der Schriftsteller Tomasz Jedrowski ist ein Zauberer. Scheinbar mühelos liest sich die Geschichte von Ludwik und Janusz und doch berührt sie zutiefst. Die Erzählform ist wohl gewählt. Ludwik richtet sich direkt an seinen ehemaligen Geliebten, dieses „Du“ macht die Geschichte zu einem ganz intimen Einblick in Ludwiks Welt.

Es sind die 1970er in Polen, als Ludwik erkennt, dass er anders ist. Mit neun Jahren hat er zum ersten Mal das Besondere an einer Kinderfreundschaft zu einem Nachbarsjungen verspürt. Vor allem aber spürt er Scham und Einsamkeit. Bei einem studentischen Ernteeinsatz lernt er Janusz kennen. Ludwik ist fasziniert von der Selbstsicherheit des Studienkollegen. Ihre aufkeimende Liebesbeziehung können Ludwik und Janusz aber nur im Verborgenen leben. Nicht nur weil Homosexualität nicht dem Wohl der sozialistischen Gesellschaft dient, vor allem auch weil Janusz damit seine aufstrebende Karriere nicht aufs Spiel setzen will.

„Wir waren immer ein Geheimnis, Ludwik. Bisher mussten wir uns nur vor niemandem verstecken.“

Tomasz Jedrowski zeichnet die Figur des Ludwik so zart und einfühlsam. Ludwik ist ein ruhiger, introvertierter Mann aus einfachen, aber gebildeten Verhältnissen. Mutter und Großmutter haben heimlich Westradio gehört. Ludwik zieht sich gerne in die Welt der Bücher zurückzieht. Heimlich liest er das in Polen verbotenen Buch von James Baldwin, Giovannis Zimmer, ein Buch, das ihn prägt und begleitet. Mit Janusz lernt er eine andere Welt kennen. Aus einer Arbeiterfamilie kommend hätte er ohne Partei nicht studieren können. Und Janusz hat Freunde, privilegierte, parteitreue Freunde.  Ludwik lernt auf schmerzhafte Weise, das Liebe und Verlangen nicht dieselbe Seite einer Medaille sind.

„….dass man nicht ….verlangen kann, uns so zu lieben, wie wir es wollen.“

In diesem Buch geht es nicht nur um die Liebe, sondern auch um Freiheit, selbstbestimmtes Leben und den Zwiespalt eines Protagonisten, der sich entscheiden muss, wie er weiterleben kann.