Rezension

Intensiver Roman mit schwerer Thematik

Caroline & West - Überall bist du - Ruthie Knox

Caroline & West - Überall bist du
von Ruthie Knox

Inhalt:

Caroline ist behütet aufgewachsen, sie hat gute Schulnoten und sie ist auf dem besten Weg, ihrem Vater zu folgen, der als Richter einen guten Ruf genießt. Caroline hat Pläne. Sie möchte ein Jurastudium aufnehmen.
Doch diese Zukunftsaussichten finden ein jähes Ende, als plötzlich überall im Internet Fotos von ihr erscheinen. Jeder an der Schule scheint einen Link zu den entsprechenden Seiten erhalten zu haben. Jeder, der Carolines Namen in die Suchmaschine tippt, gelangt sofort zu Bildern, die sie nackt zeigen, ihr Gesicht, wie sie Oralsex bei einem Jungen ausübt. Und diese Bilder sind noch nicht die schlimmsten.
Caroline weiß sofort, dass ihr Leben ab diesem Zeitpunkt zerstört ist. Jeder, der ihr ein Studium anbietet, jeder Arbeitgeber, wird bei der Recherche auf diese Bilder stoßen. Ihre Schulkameraden, ihre Freunde schauen sie mit diesem Blick an, der dem Mädchen verkündet, dass sie es mit jedem treibt. Sie hat Angst, dass auch ihre Verwandten, ihr Vater, ihre Schwester auf diese Bilder stoßen werden.
Es dauert nicht lange, bis obszöne Botschaften und Drohungen eintreffen. Caroline hat Angst, sie schämt sich, sie fühlt sich dreckig. Jeden Morgen überlegt sie, was sie wohl anziehen kann, um dem Ruf, der ihr vorauseilt nicht gerecht zu werden. Solange, bis plötzlich West auftaucht und die Stärke in ihr weckt. Ihr zeigt, dass sie jemandem etwas wert ist.

 

Wichtigste Charaktere:

Caroline ist 19 Jahre alt. Sie ist ein sehr hübsches Mädchen mit einem zerstörten Selbstbewusstsein. Jeden Tag kämpft sie gegen die Hasstiraden ihrer Mitmenschen und gegen die Stimmen in ihrem Kopf, die ihr sagen, dass sie nichts wert sei.

West ist selbstbewusst, er ist cool. West lässt sich nichts sagen. Er beschützt die, die ihm am Herzen liegen mit seinem Leben. Nachts arbeitet er in einer Bäckerei, tagsüber geht er zur Schule. Er hat mehrere Jobs, mit denen er seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie bestreitet.
Nate ist Carolines Ex-Freund. Er hat die Fotos ins Netz gestellt.

Schreibstil:

Ruthie Knox pflegt einen sehr intensiven, eindringlichen Schreibstil. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund.
In diesem Roman witmet sich Ruthie Knox dem Thema „Rachepornografie“. Die Autorin schildert, was es damit auf sich hat, wie diese Art des Missbrauchs das Leben eines Jugendlichen zerstören kann. Sie zeigt auf, wie begrenzt die Möglichkeiten doch sind, sich als Opfer dagegen zu wehren.
Caroline ist eigentlich ein sehr starkes Mädchen. Sie weiß, was sie will und sie nennt die Dinge beim Namen. Ihrer Biografie geschuldet, wirkt sie jedoch verletzlich, ängstlich, zurückhaltend. Erst als West in Carolines Leben tritt, ändert sich dieses Muster.
West ist nicht perfekt. Sein Leben ist genauso schwierig. Seine Familie leidet unter der Liebe der Mutter zu einem Mann, der sie schlägt, säuft und seine Frau lediglich als Statussymbol betrachtet. Wests Mutter ist selbst ein sehr schwacher Charakter. Sie stellt ihre „Liebe“ zu diesem Mann über die Verantwortung für die Kinder. So ist es West, der dafür sorgt, dass die Schwester nicht auf die falsche Bahn gerät, der die Familie mit Geld versorgt; der die Vaterrolle übernimmt.
Früh wurde West in die Rolle des Beschützers gedrängt. Er hat gelernt, sich in dieser Welt durchzusetzen.
Somit sind Caroline & West phänotypisch sehr ähnlich. Sie geben nicht auf. Sie kämpfen.
Caroline braucht jemanden, der zu ihr hält und der ihr Stärke gibt und West beschützt die, die ihm am Herzen liegen: Ein perfektes Paar.
Der Schreibstil dieses Romans ist sehr intensiv und direkt. Einerseits scheut Ruthie Knox sich nicht die sehr erotischen Szenen zwischen West und Caroline detailliert zu beschreiben. Andererseits vernachlässigt sie auch nicht das Thema an sich. 
Stellenweise begibt sich die Autorin auf einen schmalen Grad. So denkt West zum Beispiel ebenfalls an die Bilder von Caroline, während er sich selbst befriedigt. Im Gegensatz zu allen anderen geht es ihm jedoch nicht um Triebabfuhr. Er empfindet wirklich etwas für Caroline und das ist mehr, als Erotik.
Wests Art ist Ausdruck vom Pragmatismus, er richtet sich nach praktischen Gegebenheiten, weshalb sein Handeln nicht an unveränderliche Prinzipien gebunden ist.
Die Kapitel werden abwechselnd aus Carolines und aus Wests Sichtweise geführt. Dem Leser gelingt es durch diese Aufgliederung einen Blick hinter beide Perspektiven zu werfen, was den Charakteren selbst nicht möglich ist. Der Autorin gelingt es somit, den Lesern Geheimnisse zu offenbaren, die den Charakteren selbst noch verschlossen sind. Dadurch verstärkt sie die eh schon vorhandene Sogwirkung des Romans noch mehr.
Kleine Kritikpunkte, wie der stellenweise etwas abrupte Szenenwechsel und ein vielleicht etwas zu rasanter Einstieg, verzeiht man dem Roman auf der Stelle.
 

Fazit:

Caroline & West – Überall bist du ist ein unglaublich intensiver Roman, der sich mit einer schweren Thematik gleichermaßen, wie einer unglaublich schönen Liebesgeschichte auseinandersetzt. Hier begreift der Leser, was es bedeutet, wenn jemand von Seelenverbundenheit und großer Liebe spricht und welche Auswirkung Fotos im Internet auf das Leben eines Menschen haben können. Leser/innen, die auch sehr erotischen Szenen nicht abgeneigt sind und dennoch einen anspruchsvollen Roman suchen, sind hier gut aufgehoben.

Buchzitate:

Ich schloss die Augen und atmete West Leavitt und grünes Gras und warme Erde ein.

Sie kann nicht wissen, dass ich alles halte, was ich verspreche. Und ich fürchte, wenn ich einmal anfange, ihr Dinge zu versprechen, kann ich nie wieder damit aufhören.

Sie hat so etwas total Geordnetes an sich, auch wenn sie nur Jeans und T-Shirt trägt. Ich meine nicht ihr Aussehen. Sondern etwas in ihr. Als wäre für sie alles klar, als wüsste sie, was sie will und auch, dass es ihr zusteht.

Sie schließt die Augen, als ich sie küsse, aber ich lasse meine offen. Ich will zusehen, wie die Sonne aufgeht.