Rezension

Kann man gleichzeitig 2 Menschen lieben?

Erst der Regen verzaubert das Licht -

Erst der Regen verzaubert das Licht
von Liane Wilmes

Bewertet mit 5 Sternen

Nizza, 1989
Lilith und ihre beste Freundin Bine machen Urlaub in Nizza, wo sie durch die Chagall- und Matisse-Museen touren, denn sie sind beide begeisterte Kunst-Liebhaberinnen. Wenige Tage vor ihrer Abreise wird Lilith nach einem Einkauf das Portemonnaie gestohlen und bei dem Versuch den Dieb aufzuhalten, bekommt sie unerwartet Unterstützung. Ihr Retter ist ohne Zweifel der schönste Mann, der ihr je begegnet ist. Obwohl Lilith in Kürze heiraten wird, lässt sie sich auf eine Nacht mit Alex ein. Nicht wissend, dass diese Nacht sie die nächsten 30 Jahre begleiten wird.

Gegenwart
Manchmal ist eine Beerdigung – leider – die einzige Möglichkeit, die eigene Familie zu treffen. So ergeht es auch Lilith, die nach endlos langen drei Jahren bei der Beerdigung ihres Mannes ihren Sohn Theodor, seine Frau Kimberley und ihren Enkel Aaron wieder sieht. Die kleine Familie wohnt in Australien und wahrscheinlich ist es deswegen noch niemandem aufgefallen, dass Aaron genau so aussieht wie „Er“. Es gibt nicht nur eine gewisse Ähnlichkeit, nein, er ist „ihm“ wie aus dem Gesicht geschnitten.

Nach Pius Tod steht Lilith nun alleine da mit der „Lohse Art Gallery“, die sie beide gemeinsam gegründet und betreut haben; die Galerie war ihr Lebenswerk. Ihre beiden Söhne entscheiden kurzerhand, dass sie ihrer Mutter helfen möchten die Galerie weiterzuführen. Für Theo und seine Familie würde das jedoch bedeuten, ihre Zelte in Australien abzubrechen und nach Deutschland zurückzukehren. Für Paul würde es bedeuten, sich von seinem Job – zumindest vorübergehend – beurlauben zu lassen. Bevor ihre Kinder ihr eigenes Leben für ihre Unterstützung hintenanstellen, möchte Lilith ihnen die Wahrheit sagen – anschließend sollen sie selbst entscheiden, ob sie ihre Mutter unterstützen wollen oder nicht. .

Es ist an der Zeit, ihren Kindern die Wahrheit über die Geschichte ihrer Familie zu erzählen ….

Liane Wilmes erzählt in ihrem Buch „Erst der Regen verzaubert das Licht“, die Geschichte eines Betruges. Üblicherweise liest man diese Geschichten aus der Sicht der/des Betrogenen, hier verhält es sich umgekehrt, denn Lilith erzählt davon, dass und wie sie ihren Mann, ihre Kinder und auch ihre beste Freundin über Jahre hinweg betrogen hat.

Nach dieser einen Nacht mit Alex muss Lilith sich entscheiden zwischen ihrem Verlobten Pius und Alexander. Lilith entscheidet sich für Pius. 10 Jahre vergehen, in denen Lilith Alexander zwar niemals vergessen hat, aber auch kein Kontakt zwischen Ihnen besteht, der die alten Wunden erneut aufreißen könnte. Das ändert sich jedoch schlagartig, als Bine ihr ihren neuen Freund vorstellt: Manchmal ist die Welt ein Dorf, denn es handelt sich um jenen Alexander, mit dem Lilith diese eine schicksalhafte Nacht verbracht hat. Es wird nicht bei dieser einen Nacht bleiben.

Da Lilith ihren beiden erwachsenen Söhnen die Geschichte von ihr und Alexander nach der Beerdigung ihres Mannes erzählt, erfährt der Leser in zwei parallelen Erzählsträngen, was jeweils in der Vergangenheit und in der Gegenwart zum entsprechenden Zeitpunkt passiert. Die ganze Geschichte wird ausschließlich von Lilith in der Ich-Form erzählt.

Die Autorin hat alle handelnden Charaktere realistisch und bildhaft angelegt. Es fällt leicht, sich die Personen vorzustellen und sich auf sie und ihre Handlungen einzulassen, wobei Lilith mir nicht sonderlich sympathisch geworden ist; ich glaube, ich habe mich in Pius verliebt. Nicht zuletzt deswegen, weil Pius sich für seine Frau hätte in Stücke schneiden lassen und sie ihn im Gegenzug über Jahre hinweg belogen hat. Alexander ist einfach nur egoistisch und Bine wird genau so belogen wie Pius, wobei Alexander ihr nicht nur sein Verhältnis mit ihrer besten Freundin verschweigt, sondern auch die Intensität seiner Gefühle für sie nicht dem entsprechen, was er ihr signalisiert.

Liane Wilmes hat einen sehr schönen Schreibstil und ich konnte für ein paar Stunden tief in die Probleme anderer Menschen abtauchen. Das Verhalten von Lilith ist für mich nicht akzeptabel; das bedeutet aber nicht, dass ich sie nicht auch ein Stück weit verstehen kann. Liebe folgt nun einmal keiner Logik.