Rezension

Klein, aber fein

Die Schwimmerin -

Die Schwimmerin
von Gina Mayer

Bewertet mit 5 Sternen

Im Jahr 1962 ist Betty am Ziel ihrer Träume. Sie lebt in Essen und heiratet Martin. Endlich hat sie eine schöne Wohnung und eine Familie. Sie hat dafür lange kämpfen müssen, denn im Zweiten Weltkrieg wurden ihre Mutter und sie in Düsseldorf ausgebombt und mußten nach Weilerbach ziehen. Dort hat Betty auch das Schwimmen gelernt. Noch heute fühlt sie sich frei und unbeschwert, wenn sie ihre Bahnen im Schwimmbad ziehen kann. Dann vergisst sie für kurze Zeit ihre Geheimnisse aus der Vergangenheit. Im Schwimmbad begegnet ihr Claudia zum ersten Mal. Betty fühlt eine unheimliche Bindung zu dem jungen Mädchen. Sie treffen immer wieder aufeinander und Betty merkt, daß Claudia sie verfolgt. Als Claudia beginnt, Betty mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren und Geld für ihr Schweigen zu fordern, muß sie eine Entscheidung treffen. Soll sie Martin alles erzählen und ihr glückliches Leben aufs Spiel setzen oder auf Claudias Erpressung eingehen?

"Die Schwimmerin" ist ein kleines Buch, aber die Geschichte, die Gina Mayer darin erzählt ist ganz groß. Sie zeichnet ein ungeschöntes Bild der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre der Bundesrepublik. Man bekommt beim Lesen einen Blick auf das Leben in dieser Zeit - und ganz besonders auf das Leben der Frauen. Man merkt schnell, daß die meisten Frauen sich mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter zufrieden geben, ja, sogar für sich erträumen. Niemand stellt alte Zöpfe in Frage und Unrecht wird einfach unter den Tisch gekehrt. Die Bequemlichkeit geht den Menschen über alles. Die unruhigen Zeiten sind vorbei und jetzt will man seine
Ruhe haben. Dieses Denken der Menschen gibt Gina Mayer ganz hervorragend wieder. Man sieht die gemütlichen Sofas und die dicken, rauchenden Zigarren aus dieser Zeit genau vor sich. Ich hatte ein paar Probleme mit den verschiedenen Dialekten in der Geschichte, glaube aber, daß ohne diese urige Sprache die Geschichte ihre Lebendigkeit verloren hätte.
Für dieses Buch paßt der Spruch: "Klein, aber fein" ganz hervorragend. Es hat viel zu erzählen.