Rezension

Krimikomödie voller emotionaler Situationskomik und mit einer herzzerreißenden Relevanz

Ein Mann zum Vergraben -

Ein Mann zum Vergraben
von Alexia Casale

Bewertet mit 5 Sternen

[TW: häusliche Gewalt]

Ich war zu Beginn etwas unsicher, ob mir das Buch mit seiner Krimi-Komponente zu viel ist, weil ich bzgl. Gewaltverbrechen extrem sensibel bin. Und obwohl es natürlich um Totschlag geht, bin ich beeindruckt davon, mit welchem Humor ein so relevantes Thema hier behandelt wird.

Eigentlich geht es Alexia Casale nämlich vor allem darum, das Thema häusliche Gewalt, ganz besonders im Kontext der Corona-Lockdowns, niedrigschwellig an die Menschen zu bringen. In ihrer Arbeit hatte sie nämlich oft das Gefühl, nicht genügend zu erreichen, weil Menschen die patriarchale Gewalt an Frauen und Mädchen (bzw. natürlich FLINTA) zu sehr als „Privatsache“ ansehen und weniger als ein strukturelles Problem. Besonders diese Einordnung im Nachwort der Autorin hat mich emotional noch einmal extrem erschüttert und macht den Roman zu einer klaren Empfehlung.

In „Ein Mann zum Vergraben“ begleiten wir vier Ehefrauen (und zum Teil deren Töchter) verschiedener Schichten und race. Zwei waren einmal befreundet, alle anderen kennen sich gar nicht. Bis sie alle ihre gewalttätigen Männer umbringen und zufällig aufeinanderstoßen. Es formt sich ein ganz besonderer Club, der geprägt ist von bedingungsloser Solidarität und Freundinnenschaft. <3

Begleitet von allerlei Widrigkeiten, die an Situationskomik kaum zu übertreffen sind, müssen sie nun nicht nur vier Leichen beseitigen, sondern sich auch einen plausiblen Grund für das Verschwinden ihrer Männer einfallen lassen.

Ich mochte besonders, dass es hier überhaupt nicht darum geht, (tödliche) Gewalt als etwas Lustiges darzustellen. Stattdessen macht der Roman Raum für moralische Fragen. Welche Optionen haben Frauen, die unter der Gewalt ihrer Ehemänner leiden? Wenn die ihre Töchter zwangsverheiraten wollen? Oder sogar das Leben der Kinder bedrohen? Was, wenn aufgrund eines Lockdowns die sowieso begrenzten Hilfsangebote noch weiter beschränkt werden? Können wir als Leser*innen ihre Erleichterung nachvollziehen?

Der Humor des Romans ist ein schwarzer, doch er nimmt dem Thema nie die Ernsthaftigkeit. Casale ist es dabei gelungen zu transportieren, dass patriarchale Gewalt unabhängig von religiösen und kulturellen Einflüssen überall zu finden ist ohne dabei z. B. rassistische Stereotype zu bedienen. Ebenfalls schafft es die Autorin, die emotionale Ambivalenz der Frauen nach der Tat abzubilden. Die Krimi-Aspekte finde ich so reduziert beschrieben, dass der Roman auch von sensibleren Gemütern gelesen werden kann. Die deutsche Übersetzung war an einigen Stellen etwas holprig, das ist aber mein einziger Kritikpunkt.

Ich gehe bedrückt, aber auch bestärkt aus der Lektüre hervor. Mein Herz bricht für all die Gewalt, die FLINTA weltweit besonders in ihren Beziehungen ertragen müssen. Solange sich nichts grundlegend ändert, bleibt uns zumindest die Solidarität untereinander. Und das ist eindeutig die große Stärke des Romans.