Rezension

Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar! (Astrid Lindgren)

Fräuleinwunder -

Fräuleinwunder
von Stephanie Wolff

Bewertet mit 4 Sternen

1953 Hamburg. Die 19-jährige Elisabeth „Elly“ Bothsen ist mit ihren Geschwistern wohlbehütet in einer gutbetuchten Kaufmannsfamilie aufgewachsen und soll dem Wunsch ihrer Eltern entsprechend mit einer Heirat dem Familienunternehmen zusätzlichen Glanz verleihen. Doch Elly ist zwar mit dem ausgesuchten Ehemann Thies gut befreundet, liebt ihn jedoch nicht. Als sie von ihren Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt wird, weigert sie sich zu heiraten, weshalb ihr Vater sie des Hauses verweist. Mit gepackten Taschen und ihrer Freundin Ingrid im Gepäck, die ebenfalls von ihren Eltern verstoßen wurde, mietet sie sich in einem Hotel auf dem Hamburger Kiez ein. Peter, den sie durch Ingrid kennengelernt hat und der eine Stelle beim neuen Fernsehsender NWDR hat, nimmt sie dorthin mit, wo sie schnell ein Arbeitsangebot bekommt. Elly arbeitet erst als Tippse und Mädchen für alles, um schon bald als Redaktionsassistentin Karriere zu machen, was ihr auch viel Neid in den eigenen Reihen beschert. Doch mit ihren innovativen Ideen kann sie schnell bei ihrem Programmchef punkten und steigt die Karriereleiter bald nach oben. Und auch die Liebe schneit unverhofft in Ellys Leben, während ihre eigene Familie langsam auseinander bricht…

Stephanie von Wolff hat mit „Fräuleinwunder“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, dessen Handlung den Leser in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entführt, um dort nicht nur die Anfänge des Fernsehens, sondern auch eine mit Familiengeschichte, Liebe und Freundschaft gespickte Geschichte mitzuerleben. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell in der Zeit zurückreisen, um dort Elly, ihre Familie und ihr Umfeld kennenzulernen, die sich in den betuchten Hamburger Kreisen bewegen. So wird auch von Elly, ihrer jüngeren Schwester Kari und dem älteren Bruder York erwartet, sich an die gesellschaftlichen Regeln zu halten, wo vor allem für Frauen eher die Rolle der Hausfrau und Mutter vorgesehen war als eine berufliche Karriere. Die Autorin hat die 50er Jahre sehr schön in ihre Handlung integriert und lässt den Leser die Anfänge des Fernsehens gut miterleben. Da werden sowohl Koch- als auch Tiersendungen mit Hagenbeck entwickelt, aber auch die Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten von Elisabeth II. gekonnt in Szene gesetzt, so dass der Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein. Ebenso werden aber auch ernstere Themen aufs Tablett gebracht, so geht es um Intrigen und Neid unter Kollegen, illegale Schwangerschaftsabbrüche, aber auch um sexuelle Belästigung. Der Spannungsbogen liegt zwar nicht sehr hoch, doch die Lektüre ist durchaus kurzweilig und lässt ein Stück deutsche Geschichte am Leser vorbeiziehen.

Die Charaktere sind sympathisch und lebendig gestrickt, ihre menschlichen Ecken und Kanten durchaus authentisch, was dem Leser die Möglichkeit gibt, sich als Teil von ihnen zu fühlen und mit ihnen zu fiebern. Elly ist ein kluger Kopf mit vielen innovativen Ideen. Recht selbstbewusst, ehrlich und optimistisch geht sie durchs Leben und ist sich für nichts zu schade, um ein selbstbestimmtes Leben nach ihren Vorstellungen zu haben. Peter ist ein liebenswürdiger und offener Mann, der Ehrgefühl besitzt. Thies ist ein farbloser Kerl, der recht fies werden kann. Ellys Vater sowie Bruder York sind wahre Kotzbrocken. Aber auch Ellys Mutter, Schwester Kari, Ingrid und weitere Protagonisten spielen wichtige Rollen in dieser Geschichte.

„Fräuleinwunder“ beschert dem Leser mit einer guten Mischung aus Familiengeschichte, Historie, Liebe und Intrigen einige interessante und unterhaltsame Lesestunden sowie eine Reise in die alten 50er Jahre. Ein schöner Schmöker mit verdienter Leseempfehlung!