Rezension

Leider zu kurze Dystopie mit interessanten Anätzen

Unverschlüsselt - Albrecht Mangler

Unverschlüsselt
von Albrecht Mangler

Bewertet mit 3 Sternen

Die Vergangenheit ist immer interessant, besonders wenn sie soviel mehr Freiheit verspricht als die Gegenwart.
Doch ist es wirklich so klug, mit ihr Geld zu verdienen?

 

Die Zukunft im Jahre 2052: Jeder ist vernetzt, zu jeder Sekunde seines Lebens wird alles aufgezeichnet, was von wem konsumiert wird. Alle Probleme können mit einer speziellen App gelöst werden und Gebrauchsgegenstände sind nur noch als 3-D-Ausdrucke erhältlich. Vigo, Thori, Paul und Hans haben sich längst an diesen Umstand gewöhnt, schließlich sind sie damit aufgewachsen.
Aber dann kommt ihnen eine viel versprechende Idee für einen eigenen Dokumentarfilm über die glorreichen 2010er mit all ihren Befürchtungen bezüglich Copyright und Datenschutz. Allerdings hätten sie nie damit gerechnet, welche gefährliche Eigendynamik ihr Projekt entwickeln würde.

 

 

Als ich die Inhaltsangabe zu diesem eBook gelesen habe, freute ich mich gleich auf eine neuartige Dystopie, die aktuelle Probleme mal anders beleuchtet. Und zu einem großen Teil wurde diese Erwartung auch erfüllt, mit ein paar Abstrichen.
Allein die Figuren hinterlassen bei mir einen zwiespältigen Eindruck. In Ansätzen sind sie wirklich interessant und bieten einige Interpretationsmöglichkeiten. Doch im Großen und Ganzen sind sie eher anskizziert anstatt ausführlich dargestellt, was die Identifikation mit ihnen sehr schwierig macht. Ich habe mich mehrmals dabei erwischt, wie ich zumindest die drei Jungs ständig verwechselt habe, wobei Vigo noch hervorsticht, da anfangs hauptsächlich aus seiner Perspektive erzählt wird. Es fehlen einfach die Konturen, die Ecken und Kanten, das Spezielle und Einzigartige jedes Charakters. Vielleicht ist das so gewollt, womöglich soll es verdeutlichen, wie schnell das Individuum in der von Mangler entworfenen Zukunft untergeht. Mich hat es allerdings gestört, dass lediglich Thori als einziges Mädchen und Nico als der heimliche Held ein gewisses Maß an Tiefe aufweisen.

 

Der Schreibstil hat etwas Knappes und recht Kühles an sich: Kurze, prägnante Sätze durchziehen den Roman, größtenteils emotionslos beschreibt der Autor die Geschehnisse und die Umgebung darum herum. Ist das bei den Protagonisten ein Problem, da man sich aufgrund dessen nur schwer in sie hineinversetzen kann, so passt es trotzdem zu dem Entwurf eines eventuellen Jahres 2052. Denn hier trumpft die Story mit allerhand spannenden Entwicklungen auf, die gar nicht mal so unwahrscheinlich sind. Einiges ist bereits jetzt abzusehen, für anderes bräuchte es vermutlich noch die eine oder andere erhebliche Verbesserung schon vorhandener Technik. Die leisen Zwischentöne und die ironische Sicht auf unsere Gegenwart und die eventuelle Zukunft bringen zusätzliche Dystopiemerkmale ans Licht, denn die kontinuierliche Überwachung schränkt vor allem die ein, die keine Schlupflöcher kennen. Erwähnenswert sind ebenfalls die vielen Anspielungen auf unsere Zeit, die mir immer wieder gefallen haben.
Leider besticht die eigentliche Handlung eher dadurch, dass man sie locker in wenigen Sätzen zusammenfassen könnte. Bei nicht einmal hundert Seiten ist das jedoch kein Wunder. In der Hinsicht hätte ich mir, besonders wegen der richtig tollen Ideen, eine genauere Ausarbeitung gewünscht, die mehr Details und vor allem mehr Leben enthält.

 

Fazit

 

Albrecht Manglers Unverschlüsselt ist ein interessanter, weil sehr gut vorstellbarer Entwurf eines möglichen Jahres 2052. Die vielen Ideen rund um realisierbare Technik, die unser Leben komplett bestimmen könnte, die leise Ironie auf die Gegenwart und die Gedankenlosigkeit vieler im Umgang mit ihren privaten Daten und der dazu perfekt passende Schreibstil waren für mich die Pluspunkte des Romans.
Leider wirken die Figuren größtenteils austauschbar und oberflächlich und auch dem Plot hätte eine ausführlichere Ausarbeitung bestimmt gut getan.
Wer kritische Science Fiction liebt, über fehlende Tiefe bei den Charakteren hinwegsehen kann und stattdessen lieber eine andersartige, intelligent konstruierte Gesellschaft der Zukunft kennen lernen will, der sollte sich ruhig auf dieses eBook einlassen.