Rezension

Mal was anderes

Das Vogelmädchen von London -

Das Vogelmädchen von London
von Mat Osman

Bewertet mit 4 Sternen

London, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, die sechzehnjährige Shay gehört zu den Aviscultarier, die die Vögel verehren und angeblich das Wahrsagen beherrschen. Als sie in der Stadt über die Dächer Londons fliehen muss, weil sie zum wiederholten Male Vögel aus Käfigen befreit hat, kommt ihr unverhofft jemand zur Hilfe, der junge Schauspieler Nonesuch, dessen Theater gerade in London gastiert. Durch ihn bekommt Shay einen Einblick in die Scheinwelt des Theaters und irgendwie beschließen Shay und Nonesuch ihr eigenes Theater zu gründen. Selbst die Queen erfährt von ihnen und fordert Shay auf, ihr weiszusagen. Ab da läuft alles anders als je gedacht.
Aufmerksam geworden durch dieses wirklich wunderschöne Cover, wollte ich wissen, worum es in diesem Buch geht und die Geschichte klang aussergewöhnlich. Ganz genau das ist sie dann auch und ich bin mir sicher, nichts Vergleichbares bisher gelesen zu haben.
Allein schon Mats Osmans Schreibstil ist einfach anders, er erzählt mal poetisch, mal schon fast in Gossensprache und fängt dabei die ungewöhnliche Atmosphäre gekonnt ein. Dabei ist diese Geschichte auch eine Mischung aus Historie, Fantasy und einer Liebesgeschichte, die düster anmutet.
Es ist auf jeden Fall keine leichte Lektüre für zwischendurch, denn Osman erzählt mal ausschweifend und detailliert und dann wieder völlig überhastet. Ich musste mich ganz schön konzentrieren, um den teils verwirrenden Handlungssträngen zu folgen. Der Beginn des Buches konnte mich völlig in seinen Bann ziehen, da es gleich spannend wurde, doch gerade im Mittelteil wurde es etwas zu langatmig. Worum es hier wirklich geht, kristallisiert sich erst nach und nach heraus und ich hatte zwischendurch keine Idee, was mir der Autor sagen wollte. Doch all das löst sich dann im Laufe des Buches.
Was gut gelungen ist, vor allem durch die sprachliche Darstellung, ist die Realität der damaligen Zeit. Während die Reichen sich benehmen, als gehöre ihnen die Welt, kämpfen die Armen gegen Hunger und um ihr Überleben.
Protagonistin Shay, aus deren Sicht man der Handlung folgt, hat mir unheimlich gut gefallen. Sie ist ein vielschichtiger Charakter und hat ein ganz besonderes Gespür für ihre Mitmenschen. Durch sie erlebt man auch, wie schwer es zu der Zeit für Frauen war, die noch nicht einmal Botengänge erledigen durften. Auch Nonesuch ist etwas besonderes und eine absolut facettenreiche Gestalt. Die beiden zusammen geben dem Buch noch einmal mehr etwas Besonderes.
Die Nebencharaktere sind recht zahlreich und spiegeln die Gesellschaft der damaligen Zeit.
Mein Fazit: keine leichte Geschichte für zwischendurch, sondern eine eher besondere Geschichte, die mit einer düsteren Atmosphäre, vielschichtigen Charakteren und einem Genremix daherkommt. Zwischendurch vielleicht etwas langatmig, doch im großen und ganzen eher aussergewöhnlich. Wer sich darauf einlassen kann, erhält hier eine nicht alltägliche Geschichte.