Rezension

Mein Leben für deins

In den Augen der anderen - Jodi Picoult

In den Augen der anderen
von Jodi Picoult

Bewertet mit 5 Sternen

In diesem Buch geht es um Jacob, der an dem Asperger-Syndrom leidet. Sein ganzer Tagesablauf muss streng befolgt werden, denn wenn dies nicht der Fall ist, rastet Jacob aus. Dementsprechend schwer ist es für ihn auch, sozialen Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen, worunter die ganze Familie leidet - nicht zuletzt Theo, sein jüngerer Brüder.
Um ihm sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, greift seine Mutter, Emma, auf alle möglichen Varianten zurück, in der Hoffnung, dass irgendwas anschlagen könnte. So gelangt Jacob auch an Jess, eine Psychologie-Studentin, die sich auf seine Krankheit spezialisieren möchte. Für ihn ist sie ein enorm wichtiger Bestandteil in seinem Leben und Jacob fühlt sich auch einfach mit ihr verbunden. Aber plötzlich ist Jess to und der Verdacht gerät schnell auf Jacob, welcher mehr oder weniger in den Prozess hineinschlittert aufgrund seiner mangelnden menschlichen Erfahrungen. Und so beginnt Emmas Kampf gegen die Justiz und für die Menschenwürde, damit Jacob einen gerechten Prozess bekommt und nicht ins Gefängnis muss...

Dieses Buch war das erste, was ich von der Autorin gelesen habe. Dementsprechend wusste ich auch nicht, was mich erwarten würde. Einzig und allein der Schreibstil ist genial. Jodi Picoult ist in der Lage, sich in jede Rolle hineinzufühlen und aus deren Sicht zu schreiben, wie sie durch die häufigen Perspektivwechsel beweist. Immer wieder musste ich über Jacobs Aussagen schmunzeln, die zwar nicht falsch waren, aber immer wieder bewiesen, wie metaphorisch die menschliche Sprache doch ist. Gerade der psychologische Aspekt ist hier sehr gut vertreten worden. Dank dieses Buches weiß ich jetzt viel mehr über die Forensik und das Asperger-Syndrom, was mich beides sehr interessiert. Man merkt, dass die Autorin Ahnung von dem hat, über das sie schreibt, wodurch der ganze Roman auch sehr authentisch aufgebaut ist.

Auch wenn dieses Buch sehr lang ist, war es nie so, dass ich das Ende herbei ersehente, weil es eher so war, dass ich mich in dieses Buch einfand, auch wenn ich nur stille Beobachterin war.
Auch der Zweifel der Menschen wird gut dargestellt, weil Emma irgendwann nicht mehr weiß, was sie glauben soll: ist ihr Kind den wirklich der Mörder? hat sich die ganze Arbeit überhaupt gelohnt, ihm ein möglichst normales Leben zu ermöglichen?
Dementsprechend gibt es auch keine wirkliche Hauptfigur, weil man über jede Figur so viel erfährt, dass man das Gefühl hat, als würde man die Personen schon Ewigkeiten kennen.

Das Ende lässt einen grübelnd zurück und wird mich auch noch eine Weile beschäftigen. Dieses Buch ist kein Buch für zwischendurch, weil man einfach so viel daraus mitnimmt. Es ist wirklich einmalig und dementsprechend für mich auch eine absolute Leseempfehlung. Jeder, der sich auch nur ein wenig für Psychologie und den Umgang mit psychischen Erkrankungen bei Gericht interessiert, sollte dieses Buch gelesen haben!