Rezension

Mikrokosmos der Randständigen

Malé - Roman Ehrlich

Malé
von Roman Ehrlich

Bewertet mit 2.5 Sternen

Mit „Malé“ hat Roman Ehrlich einen dystopischen Roman geschrieben, der die Welt der Aussteiger, Abenteurer und Glückssucher in den Blick nimmt.

Eigentlich passiert nichts in dieser Stadt. Malé, die Hauptstadt der Malediven, ist dem Untergang geweiht. Die Bemühungen, die Insel vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, sind gescheitert. Es leben nicht mehr viele Menschen auf dieser im Meer versinkenden Insel.

Nach einem Umsturz haben „die Eigentlichen“ die Macht übernommen. Sie residieren in einem früheren Kreuzfahrtschiff und auf sie und ihre gelegentlichen Lieferungen sind die Bewohner angewiesen. Die Inselbewohner treffen sich dagegen in der Kneipe „Hühnersultan“. Und hier kommt es zu herrlich irrwitzigen Dialogen – etwa darüber, was Kunst vermag. Das waren Buchstellen, um deretwillen ich „Malé“ schätzen gelernt habe.

Ansonsten habe ich mich bei „Malé“ immer wieder gefragt, warum ich noch weiterlese. Zu chaotisch sind die Personenverhältnisse, zu verworren und undurchschaubar die Handlung (so man überhaupt von einer Handlung sprechen kann), zu sperrig die Sprache.

Als sperrig erweist sich vor allem der Satzbau. Ehrlich liebt die Schachtelsätze. Beispiel gefällig? Ein Satz aus dem Buch will ich zitieren:

Selbst in den Augenblicken,
in denen die Sonne hinter den schwer dahintreibenden Wolken verschwindet,
das Leuchten der schmutzigen Scheiben weggedimmt wird,
steht Frances Ford in einem lichten, hellblauen Rechteck,
im verwaisten Frühstücksraum des Royal Ramaan Residence Hotels,
in der sogenannten Daisy Street,
in einem Viertel,
das die neuen Bewohner der Stadt als Stearson Patch bezeichnen,
benannt wahrscheinlich im Andenken an einen der frühen Pioniere,
die sich hier nach dem völligen Zusammenbruch der Inselrepublik als Erste angesiedelt haben
und denen die bereits bestehenden Namen der Orte nichts bedeuten
oder einfach zum ständigen Aussprechen zu kompliziert waren.

Manchmal sind solche Satzknäuel ja schön, z.B. wenn es ihnen gelingt, eine Stimmung einzufangen. Manchmal sind sie aber – wie hier – einfach nur nervig.

Genauso erging es mir auch mit manchen Handlungssträngen des Romans. Da wird am Anfang von einem Gefesselten gesprochen, da gibt es eine verschwundene Frau, nach der der Vater sucht – weil er (zu Recht? zu Unrecht?) nicht wahrhaben will, dass sie tot ist. Dann gibt es noch einen verschwundenen Lyriker und eine amerikanische Literaturwissenschaftlerin, die nach ihm sucht. All diese Handlungsstränge tauchen irgendwann wieder auf, weitergeführt werden sie allerdings kaum. Alles bleibt vage, ungeklärt. Dann, wenn man sich am Mikrokosmos der Randständigen sattgelesen hat, stört einen das doch ganz gewaltig.