Rezension

Mir war es immer wieder etwas zu drüber, aber ich mochte es trotzdem

Starburst Effect -

Starburst Effect
von Kelly Oram

Bewertet mit 4 Sternen

Triggerwarnung: Mobbing, Depression, schwere Verletzung.

 

Schon seit sie einander kennen hat Noah Lily das Leben schwer gemacht. Sie weiß nicht, warum er sie so sehr hasst, aber zuletzt ist es eskaliert. Er hat die ganze Schule gegen sie aufgehetzt und alle haben sich von ihr abgewandt, mit Ausnahme ihrer besten Freundin, doch auch die hat langsam genug wegen Lily zur Zielscheibe zu werden. Ihr gesamtes Leben bricht auseinander – ihre geplante Zukunft ist unerreichbar geworden, ihre Eltern lassen sich scheiden und die Verantwortung für ihren kleinen Bruder wird komplett auf ihren Schultern abgeladen.

Doch auch für Noah gibt es eine krasse Veränderung. Eine Footballverletzung lässt ihn für längere Zeit ins Koma fallen und als er aufwacht, muss er mit einer dauerhaften Behinderung klarkommen.

Von mehreren Seiten werden die beiden einander aufgedrängt. Doch kann Lily Noah jemals vergeben, was er ihr angetan hat? Kann sie glauben, dass er jetzt wirklich ein anderer Mensch sein soll? Kann sich ein Mensch so sehr verändern?

 

 

Einerseits fand ich das Buch wirklich mega. Noahs Verletzung, deren Folgen und das Beleuchten dieses unbekannten, aber wichtigen Themas fand ich wirklich super. Emotional hat es mich extrem mitgenommen, weil ich selbst Mobbingerfahrungen machen musste und ganz genau weiß, wie es sich anfühlt grundlos attackiert, körperlich angegriffen und gedemütigt zu werden. Ich weiß, wie es ist, sich allein zu fühlen und genau zu wissen, dass die nächste Attacke jederzeit kommen kann. Deswegen konnte ich sehr stark mit Lily mitfühlen.

 

Das Buch ist komplett aus Lilys Sicht geschrieben, was mir sehr gut gefiel. Es ist teilweise nicht ganz einfach zu lesen, weil Noah nach seiner Verletzung unter anderem an Aphasie leidet und Schwierigkeiten hat die richtigen Worte zu finden. Dazu kamen auch einige Tipp- und sonstige Fehler, die es mir manchmal schwer gemacht haben. Aber man liest sich rein und versteht Noah mit der Zeit immer besser.

 

Was ich allerdings schade fand, war, dass alles immer extrem auf die Spitze getrieben wurde. Lilys Eltern streiten sich zum Beispiel vor der Scheidung nicht nur, sie brüllen und werfen mit Dingen. Nach der Scheidung zwingen sie Lily sich praktisch allein um ihren Bruder zu kümmern. Sie lassen ihr einfach keine andere Wahl. Sie muss all ihre Träume begraben, weil ihre Eltern es nicht hinbekommen, sich um ihre Kinder zu kümmern. Das fand ich deutlich übertrieben, vor allem wie das immer kommuniziert wurde. Lily hatte für sie praktisch lange Zeit keinerlei Bedeutung mehr. Sie war – wie sie es selbst einmal im Streit formulierte – einfach das unbezahlte Kindermädchen.

Ja, Lily explodiert auch manchmal und reagiert mal über, aber immer nachvollziehbar in meinen Augen. Bei all dem, was sie durchmacht, ist es normal, dass man manchmal einfach nicht mehr kann. Dass die Wut raus muss.

Auch in Bezug auf ihre beste Freundin wird alles auf die Spitze getrieben. Ebenso wie beim Mobbing. Das fand ich schade. Etwas weniger wäre in meinen Augen mehr gewesen.

 

Die Frage rund um Noah fand ich dafür interessant, auch wenn hier, wie in einigen anderen Bereichen, für mich das Thema Vergebung zu sehr ausgeschlachtet wurde. Ich habe nichts gegen Vergebung, aber wenn man verletzt wurde, geht es einfach nicht so schnell. Manchmal wurde das beherzigt, meistens aber nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass sich das Buch da die Zeit genommen hätte, das als Prozess darzustellen.

Dennoch, die Frage, ob sich ein Mensch so krass verändern kann, fand ich richtig interessant.

 

Die Wendung kurz vor Schluss war für mich zu dramatisch. Das fand ich übertrieben und zu klischeehaft. 

 

 

Fazit: Insgesamt hat mir das Buch einerseits wirklich sehr gut gefallen, war mir aber in vielen Bereichen zu extrem. Alles wurde immer auf die Spitze getrieben und verlor dadurch in meinen Augen etwas an Glaubwürdigkeit. Zudem wurde mir das Thema der Vergebung zu einseitig dargestellt. 

 

Kurz vor Schluss, bei der Wendung, war es mir deutlich zu dramatisch, das fand ich schade. Ich hätte mir das etwas weniger übertrieben gewünscht.

 

Von mir bekommt das Buch trotzdem 4 Sterne, weil ich es wirklich auch richtig gut fand und sehr wichtige Themen gut und nachvollziehbar dargestellt wurden. Wenn man aber Mobbingerfahrungen gemacht hat, wird einem das Buch wahrscheinlich an die Nieren gehen.