Rezension

Mixtape der Literatur

In die Arme der Flut -

In die Arme der Flut
von Gerard Donovan

Bewertet mit 3 Sternen

... ist es wohl, was mich hier ge- und betroffen hat.

Luke hat Todessehnsucht. Er steht auf der Eisenbahnbrücke des maroden Städtchens Ross Point und sieht hinab in die steigende Flut, die gnädig die schroffen Felsen der Flussmündung zum Meer hin bedeckt. Nebel zieht auf und Luke verliert sein Ziel aus den Augen. Nein, nicht an diesem Tag will er sterben. Er setzt seinen Weg zur Arbeit schon fort, da wird er Zeuge eines Bootunfalls am nahegelegenen See. Die Passagiere sind ins Wasser gefallen und ein Junge treibt auf die Flussmündung zu. Luke rennt zurück zur Brücke, die keine Strecke verbindet und symbolhaft am Rande der Stadt für eine unvollendete Zukunft steht, steigt noch einmal hinauf und springt.Er kann den Jungen ans Ufer retten.
Wider Willen wird Luke zum Helden der Stadt. Presse und Politik stürzen sich auf diesen Einsiedler, der auf einem Hausboot lebt, bis die Stimmung kippt. Reporter wollen recherchiert haben, dass Luke niemanden retten, sondern sich umbringen wollte. Die Lage eskaliert und im Eifer des Gefechts, verliert Luke sein Zuhause, findet aber auch eine neue Liebe und neuen Lebensmut.
Die ersten 70 Seiten dieses gut 300 Seiten starken Buches sind geprägt von einer überaus stimmungsvollen Landschaftsbeschreibung und Kontemplation in Lukes Vorhaben, sich hinabzustürzen. Seine Motivation bleibt dabei, gleichsam dem aufziehenden Nebel, im Ungewissen. Was der Leser erfährt, sind kleine Anhaltspunkte, die aber zu keinem vollständigen Psychogramm führen.
Mit der Rettung Pauls, des Jungen, legt der Roman an Tempo zu und zeigt die überkochende Seite der Menschen, die plötzlich von allen Seiten auftauchen und Luke vereinnahmen. Auch Lukes neue Liebe ist aus diesem Schlamm hochgespült worden und möchte von ihm aus ihrer schicksalsgleichen Vergangenheit errettet werden. Sie kann abschließen. Doch Pauls Vater wird Luke zum Verhängnis, der ihm auf seine ganz eigene, verschrobene Weise dankbar ist. Zu spät merkt er, dass auch sein Sohn Paul Todessehnsucht hat.
Dramen, jedes für sich eine tolle Geschichte wert, werden hier auf fast schon absurde Weise miteinander verknüpft und beharken sich in ihren Schnittpunkten. Die duchaus spannenden Twists haben was von einem Abenteuer-Kinder-Roman, der aber dem Thema Suizid keinesfalls gerecht wird und die stimmungsvollen, formvollendeten Sprachgebäude werden von den ungeschickt zusammengeschusterten Plots, die einer Kommödie besser angestanden hätten, leider überblendet.

Als Donovan-Neuling, bin ich nun verunsichert, wo mich dieser Schriftsteller packt. Stimmung und Thema waren durchaus lesenswert, Zusammensetzung und Finish dieses Romans hat mich absolut nicht überzeugt.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 01. März 2022 um 08:34

Da ist wohl ein zweiter Roman vom Autoren fällig! Ich jedoch habe mich von Donovan bis auf weiteres verabschiedet. Life is short, too short.