Rezension

Multiple Ebenen schwerer Kost - Totalitäres System vs. implodierende Realität

Das andere Tal -

Das andere Tal
von Scott Alexander Howard

Bewertet mit 4 Sternen

Obwohl mich der Debütroman von Scott Alexander Howard nicht sofort überzeugen konnte - seine jugendlichen Charaktere waren mir in dem konstruierten, totalitären System einfach zu naiv unterwegs - hat er sich im weiteren Verlauf nachhaltig in meinen Verstand eingegraben. Der Autor konfrontiert uns mit unbequemen Fragestellungen, beantwortet diese nur eingeschränkt durch das Geschehen. Die Leserschaft wird also auf halber Strecke ausgesetzt und muss den Rest des gedanklichen Weges allein gehen. Das ist schon ziemlich genial gemacht.

Die Welt des Romans besteht aus der gleichen Stadt, dem gleichen Tal in einer unendlichen Abfolge, jeweils durch hohe Berge voneinander getrennt. Der Unterschied liegt in der Zeit. Benachbarte Täler trennen zwanzig Jahre. Theoretisch könnte man also über den Berg wandern und im nächsten Tal, dem eigenen Ich in der Vergangenheit oder in der Zukunft begegnen. Ein totalitäres System verhindert aber genau diese Möglichkeit, um Stabilität in den Tälern zu erhalten. Eine schwer zugängliche Elite, das Conseil, kontrolliert die Gesellschaft sowie die undurchdringlichen Grenzen. Angst wird geschürt, allgemeines Misstrauen erzeugt. 

Interessant war für mich zudem die Darstellung, wie in der Gendarmerie Vorgesetzte auf Untergebene schauen, wie schnell auch Degradierung und Zwangsumsiedlung drohen. Eine Gewissensfrage für aufstrebende Charaktere in der Truppe ist, was sie alles tun würden für eine Karriere. Verrat? Eine Affäre mit dem Vorgesetzten? Wo führt all das hin? Spannend auch dieser Hauch von Korruption im Conseil. Alles Fragestellungen, die mich noch ein Weilchen begleiten werden.

Die bedrückende Grundstimmung ist auch sprachlich ansprechend umgesetzt.