Rezension

Nett, aber ohne viel Tiefgang

Spooky Lucy - Mein Date im Jenseits - Tamsyn Murray

Spooky Lucy, Mein Date im Jenseits
von Tamsyn Murray

Pro:
Die Grundidee ist nicht ganz neu: Geister, die auf dieser Welt noch etwas zu erledigen haben, sind an den Ort gebunden, an dem sie gestorben sind. Kennt man schon. Originell ist die Idee, dass Lucy ausgerechnet auf einer Herrentoilette ermordet wurde - das ist nicht nur furchtbares Pech für sie (es gibt angenehmere Orte, um darin zu spuken) sondern bietet auch viel Potential für schwarzen Humor. Ich musste öfter mal schmunzeln und ich vermute, dass der Humor noch viel besser bei der angepeilten Altersgruppe von 14 bis 17 Jahren ankommt.

Lucy war mir am Anfang nicht sehr sympathisch - in den ersten Kapiteln ist sie unfreundlich, sarkastisch und lässt ihre schlechte Laune ausgerechnet an dem ersten Menschen aus, der sie sehen kann und der ihr nur helfen will. Aber wahrscheinlich wäre jeder mies drauf, der seit Monaten auf einer stinkenden Toilette leben muss! Im Laufe des Buches merkt man nach und nach, dass Lucy im Grunde warmherzig und hilfsbereit ist: sie verteidigt die mollige Hep, die traurigerweise auch im Leben nach dem Tode gemobbt wird, und sie versucht sogar, ihre größte Feindin zu retten, obwohl sie sich dabei selber in Gefahr begibt. Leider blieb Lucy dennoch etwas blass (s. "Kontra").

Mein Lieblingscharakter ist Jeremy, der eigentlich keinerlei Verpflichtung gegenüber Lucy hat, aber dennoch viel Zeit und Energie opfert und sich sogar in Gefahr begibt, um dem unglücklichen Teenager-Geist als brüderlicher Freund rührend zu helfen.

Die Liebesgeschichte zwischen Lucy und Ryan, dem angesagtesten, beliebtesten Geisterjungen, der in ganz London rumspukt, ist richtig süß, wenn auch manchmal etwas ZU zuckrig - und turboschnell (s. "Kontra").

Der Schreibstil ist eher einfach, aber für die Zielgruppe meiner Meinung nach nicht ZU einfach. Er lässt sich jedenfalls schnell und flüssig lesen, was das Buch zu einer netten Lektüre für zwischendurch macht.

Kontra:
Das Cover gefällt mir überhaupt nicht - ich finde es nichtssagend und visuell langweilig.

Der Teil der Handlung mit dem meisten Spannungspotential - Lucys Mörder, der frei herumläuft und vielleicht wieder töten könnte - ging für mich leider völlig unter, da Lucy selber erstmal erstaunlich wenig Interesse daran hat. Es ist Jeremy, der recherchiert, Zeugen auftreibt und sich den Kopf zerbricht, wie man den Mörder stellen könnte, aber richtige Spannung kam für mich dabei nicht auf. Es geht viel mehr darum, wie Lucy unter den Geistern Freunde findet, sich verliebt und lernt, ihre Geisterfähigkeiten einzusetzen - und die Geschichte plätschert dabei ohne große Höhen und Tiefen vor sich hin.

Die Charaktere bleiben ziemlich blass und eindimensional. Lucy ist der kesse Teenager mit dem im Grunde weichen Herzen, Jeremy ist der schrullige Möchtegern-Bruder, Hep ist die ständig rasend wütende Selbstmörderin, die eigentlich nur ihren inneren Schmerz verbirgt, Ryan ist der Sunnyboy, den jeder mag und der sich um jeden kümmert. Über Lucys Leben erfährt man so gut wie nichts, dabei ist sie immerhin die Hauptperson!

Ich bin es ja gewöhnt, dass die Liebesgeschichten in Jugendbüchern und besonders romantischen Fantasy-Büchern oft sehr schnell gehen. Aber Lucy und Ryan stellen hier neue Rekorde auf: sie treffen sich, sie machen für vielleicht zehn Minuten Smalltalk - wie lang bist du schon tot, was hörst du so für Musik -, da singt Ryan auch schon seelenvoll Lucys Lieblingslied und sie ist sich sicher, dass er ihr Seelengefährte ist. Sie kennen sich eigentlich kaum, und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass sie sich im Laufe des Buches so viel besser kennenlernen... Zumindest lernen sie, dass sich auch Geister küssen können. Aber die Liebesgeschichte hat in etwa so viel Tiefgang wie eine Pfütze.

Zusammenfassung:
Nett. Das ist das Erste, was mir zu dem Buch einfällt. Es ist... irgendwie süß, hat eigentlich gute Ideen, die Liebesgeschichte ist ganz niedlich... Aber so richtig zünden tut nichts davon.