Rezension

Penibel recherchiert und gekonnt erzählt

Schwestern im Geiste -

Schwestern im Geiste
von Marie Pierre

Bewertet mit 5 Sternen

Mit dieser historischen Roman tauchen wir abermals in das Reichsland Elsass - Lothringen, genauer in das Städtchen Thionville oder, wie es jetzt auf Deutsch heißt: Diedenhofen ein.

 

Die eine oder andere Schülerin hat hat das Pensionat an der Mosel verlassen und doch hat Schulleiterin Pauline Martin mit den elf verbliebenen Mädchen jede Menge zu tun. Manchmal ist sie überzeugt,

 

„dass es wesentlich einfacher sein musste, einen ganz Sack Flöhe zu hüten, als ein knappes Dutzend halbwüchsiger Backfische. Besonders, wenn gerade der Frühling vor der Tür stand...“

 

Auch bei den Lehrkräften bahnt sich ein Wechsel an, so dass die augenblickliche Aufregung durchaus legitim ist: Rhona O’Meally kommt als neue Lehrerin für Englisch und Musik ins Institut. Mit ihr zieht nicht nur frischer Wind in Sachen englischer Literatur durch die Schule, sondern auch etwas Geheimnisvolles. Zunächst zeigt sie bei der Vorstellungsrunde, dass auch ungehörigen Bemerkungen, wie jenen von Charlotte, geschickt zu parieren weiß:

 

„...Wir Iren sind aus hartem Holz geschnitzt. Da bedarf es weitaus mehr als der ungezogenen Bemerkung eines unreifen Görs, um mich zu treffen...“

 

Und Charlotte wird diejenige sein, die für Unruhen im Pensionat sorgt. So spielt plötzlich die jüdische Herkunft von Esther ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass Louises Vater ein Sozialist ist.

 

Als dann noch antipreußische Parolen unter anderem auf den Flohturm geschmiert werden und Charlottes Kette sowie Geld verschwindet, sieht sich der unsympathische Polizist Wachtmeister Schrotherr bemüßigt, in der Schule zu ermitteln und Pauline mit der Schließung der Schule zu drohen. Allerdings gelingt es Hauptmann Erich von Pliesnitz, der im ersten Teil noch als „Häuptling Gnadenlos“ verschrien war, gemeinsam mit dem Gärtner Vincent Lehmann, den er eigentlich als Konkurrenten um Pauline sieht, das Schlimmste abwenden. Das geht sogar soweit, dass er seinen Burschen Franzl dazu abstellt, die Schule zu beobachten.

 

Meine Meinung:

 

Die Autorin hat hier eine großartige Fortsetzung geschrieben, die mehr als ein Geheimnis enthält, die letztlich enthüllt werden. Doch bis dahin müssen wir mit den Protagonisten bangen, ob sich alles zum Guten wendet. Marie Pierre hat, wie sie im Nachwort schreibt, sehr viel Recherche betrieben, um ihren Roman in ein historisch korrektes Umfeld einzubetten. So mag ich das! Nichts finde ich peinlicher als Recherchefehler und sprachliche Ausrutscher in eine moderne Ausdrucksweise.

 

Der Schreibstil ist ausgefeilt und ich durfte so herrlich altmodische Wörter wie kujonieren wieder lesen. Die in französisch und Thionviller Platt eingestreuten Redewendungen machen das Buch authentisch. Keine Angst! In einem ausführlichen Glossar werden diese Ausdrücke übersetzt. Die meisten lassen sich aus dem Zusammenhang allerdings gut nachvollziehen.

 

Einer meiner Lieblingssätze ist folgender:

 

„..Jemanden wie Charlotte traue ich nur so weit, wie man ein Klavier werfen kann, und das ist nicht besonders weit...“

 

Sehr gut gefällt mir, weil vortrefflich gelungen, wie sich das „Stammpersonal“, also jene Figuren wie Pauline, Esther, Louise, Charlotte und Lisbeth sowie die Erich von Pliesnitz, Vincent oder auch Thomas entwickeln. Nicht immer zu ihrem Vorteil, aber das braucht eine abwechslungsreiche Geschichte, um ihre Leserinnen zu fesseln. Mit Rhona O’Meally hat die Autorin eine interessante neue Figur eingeführt, die einiges mit Pauline gemeinsam hat, sich aber dennoch deutlich von ihr unterscheidet. Schade, dass ihr Auftritt nur auf diesen zweiten Band beschränkt ist. Er wird nicht mehr lange dauern, dass sich ihr prophetischer Satz bewahrheitet.

 

"...Irgendwann wird ein großer Krieg wie ein Brand durch die Welt laufen und die alte Ordnung zerstören..."

 

Erich von Pliesnitz macht die größte Entwicklung durch, auch wenn er manchmal nach wie vor der Meinung ist, dass Weibsbilder immer für Unruhe sorgen. Aber, man weiß ja, dass die Preußen nicht so schnell schießen. Lassen wir Hauptmann von Pliesnitz jene Zeit, um sich zu verändern. Da er den Karneval und das Gedöns, das darum gemacht, wird nicht leiden kann, hat er meine volle Sympathie.

 

Im Nachwort geht die Autorin nochmals ausführlich auf die Themen Freiheitskampf in Irland, Antisemitismus und die Präsenz des Deutschen Militärs im Reichsland Elsass – Lothringen ein.

 

Ein Personenverzeichnis gleich zu Beginn, historische Fotos auf der inneren vorderer Umschlagseite, das bereits erwähnte Glossar sowie eine Karte von Diedenhofen im Anhang des Buches ergänzen den zweiten Teil der Trilogie. Ich freue mich schon auf den dritten Teil, der im Februar 2025 erscheinen wird.

 

Fazit:

 

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman 5 Sterne und eine Leseempfehlung.