Rezension

Rezension // "Alleine war gestern" von Beatrice Meier

Alleine war gestern - Beatrice Meier

Alleine war gestern
von Beatrice Meier

Bewertet mit 4 Sternen

Meine Meinung
Philip hat die letzten 30 Jahre in Afrika eine Krankenstation geleitet und kehrt nach Köln zurück, um sich von seiner Mutter zu verabschieden, die im Sterben liegt. Doch bis Philip in Deutschland ankommt, ist seine Mutter bereits verstorben. Sie hinterlässt ihm eine Wohnung und Ralf, ihre dicken Dackel. Kurz darauf läuft ihm Ricarda zufällig über den Weg, die Frau, die er schon sein Leben lang liebt, die aber seinen besten Freund geheiratet hat. Er erfährt von ihr, dass sie zwischenzeitlich Witwe ist und darüber hinaus bald aus ihrer Wohnung raus muss, da es dort zum Schimmelbefall gekommen ist. Da bietet Philip ihr ein Zimmer in seiner WG an. Als Ricarda, zu seiner Überraschung, dieses Angebot annimmt, muss Philip tatsächlich Mitbewohner finden, die mit ihm gemeinsam eine WG gründen. Er findet Uschi, die nette Wurstfachverkäuferin ohne Ehemann und Kinder und Eckart, der nach dem Tod seiner Frau irgendwie die Lust am Leben verloren hat. Außerdem überredet er einen alten Freund, Harry, der eine etwas ruppige Art an sich hat. Zunächst scheinen die fünf sich gut zurechtzufinden, doch eines Morgens liegt Uschi in der Küche - mit einem Schlaganfall.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich das Buch in erster Linie mal wegen dieses tollen Covers angesprochen hat. Es ist frisch und bunt und auch die Idee des Buches fand ich total spannend. Eine WG mit Leuten Ü60, die sich zusammen rotten und nochmal richtig ins Leben starten. Und weiter muss ich gestehen, dass ich mir auch den Klappentext nicht so genau durchgelesen habe. Andernfalls wäre ich wahrscheinlich über den Teil gestolpert, als der Klappentext von einem Schicksalsschlag spricht. Aber obwohl ich ein witziges, humoristisches Buch erwartet habe, bin ich jetzt froh, dass meine Erwartungen diesbezüglich enttäuscht wurden.

Die ersten Kapitel, die übrigens durchweg relativ kurz sind, beschäftigen sich mit der Vorstellung der Charaktere. Man bekommt eigentlich recht schnell einen guten Einblick in die Personen, wobei hier wirklich nur Klischees bedient werden. Ricarda ist die über-korrekte, dominate Person, deren schlimmster Alptraum es ist, die Kontrolle über eine Situation zu verlieren. Philip, der Gutmensch, der immer erst an andere denkt, bevor er an sich selbst denkt und daher auch dabei zugesehen hat, wie die Liebe seines Lebens einen anderen heiratete. Harry, dessen größter Lebenstraum zu Bruch ging, ein Mann, der sagt, was er denkt, aber das Herz am rechten Fleck hat. Uschi, die süße kleine Mutti, die sich um alles kümmert. Und schließlich wäre da noch Eckart, der früh seine Frau verloren hat und dann auch noch den Sohn, als dieser mit seiner Freundin auswandert. Also wie gesagt: die Charaktere sind von vorne bis hinten Klischee, aber trotzdem haben sie es geschafft, mich zu berühren und zwar wirklich tief.

Zum einen haben mich die einzelnen Schicksale zum Nachdenken gebracht. Philip, Ricarda und Eckart haben ihre Partner verloren, weil diese einfach vor ihnen gestorben sind. Harry wurde verlassen und hat sich später in eine Ehe gestürzt, die ihn nicht glücklich machen konnte. Und alle fragen sich über kurz oder lang, ob alle ihre Entscheidungen im Leben richtig waren. Das sind Dinge, über die man vielleicht in jungen Jahren gar nicht wirklich nachdenkt. Ich war auch total traurig, als ich sah, wie es einen Menschen aus der Bahn werfen kann, wenn sein langjähriger Partner plötzlich nicht mehr da ist.
Und als die fünf Senioren sich zusammenraffen und gemeinsam in einen neuen Lebensabschnitt starten wollen, schlägt das Schicksal zu und Uschi wird aufgrund eines Schlaganfalls zum Pflegefall. Und die Wg-ler beschließen, dass sie Uschi zurück in die WG holen, um sie zu pflegen. Soviel Aufopferung fand ich einfach bewundernswert, doch auch die Tücken dieses Unterfangen werden schnell deutlich.

Das Buch ist wie gesagt, in 71, recht kurze Kapitel eingeteilt, wobei die Erzählersicht wechselt. Dabei werden auch einige Kapitel aus der Sicht des dicken Dackels Ralf erzählt, was ich unglaublich witzig fand. Leider hatten die kurzen Kapitel immer zur Folge, dass die Erzählung eigentlich immer oberflächlich blieb und immer dann abgebrochen wurde, wo ich mir als Leser etwas mehr Tiefgang gewünscht hätte. Damit gingen auch die Einzelschicksale mit der Zeit etwas unter, was mir gerade im Fall von Eckart, den ich sofort ins Herz geschlossen habe, sehr leid getan hat.

Schlussworte
"Alleine war gestern" ist zwar an manchen Stellen durchaus witzig, es überwiegen aber die berührenden, zum Nachdenken anregende Momente. Idee und Schreibstil konnten mich voll und ganz überzeugen, leider war auf den nur 300 Seiten einfach zu wenig Raum, um der Geschichte und vor allem den Charakteren etwas mehr Tiefgang zu gönnen. Trotz allem hat Beatrice Meier mit ihrem Debüt einen wundervollen Roman über Freundschaft, Zusammenhalt und das Alt-werden geschrieben. Mich konnte er wirklich berühren und wird mir auch noch lange im Kopf bleiben. Dabei fehlt es dem Buch auch nicht an dem Witz, den ich anfangs erwartet habe. Aufgrund des leichten Schreibstils, der einem ein schnelles Lesen ermöglicht, kann ich dieses Buch wirklich weiter empfehlen.