Rezension

Schicksalhafte Zeiten

Der Duft der schwarzen Erde -

Der Duft der schwarzen Erde
von Sibel Daniel

Bewertet mit 3 Sternen

"[…] wenn eine Lüge in den Köpfen der Menschen so einfach zur Wahrheit werden kann, ist nichts jemals sicher."

In puncto Inhalt verweise ich auf den Klappentext. Dass bei einem vor dem Zweiten Weltkrieg angesiedelten Roman - noch dazu mit dem höchst emotionalen Themenschwerpunkt (Heimat-)Vertreibung - keine leichte Kost zu erwarten ist, sollte eigentlich jedermann klar sein. Müsste ich das Gelesene in einem einzigen Satz erfassen, wäre es: Tragisch und schicksalsreich, aber gleichzeitig auch voller Hoffnung und bewundernswertem Kampfgeist.

Auch wenn die Autorin bei einigen brutalen Szenen sich nicht in überdetaillierten Schilderungen verliert, gehen einem die Passagen aufgrund der hilflosen Wut, die man beim Lesen verspürt, unter die Haut. 

Erzählt wird auf zwei Zeitebenen; wir tauchen dank Almas Erinnerungen, die sie mit ihrer Nichte in der Gegenwart (2001) teilt, tief in die Historie der Familie ein, beginnend im Jahr 1940.

Die vielen mit dem Buchstaben A beginnenden männlichen Namen fand ich zwischenzeitlich etwas verwirrend; vor lauter Anton, Alwin, Albert, Arthur, August schwirrte mir hin und wieder der Kopf und ich musste überlegen: Wer war jetzt nochmal wer? Für zukünftige Auflagen fände ich einen Stammbaum oder ein Personenregister eine tolle Ergänzung.

Abgesehen von ein paar kleinen Längen ist der Schreibstil flüssig und besticht mit viel Feingefühl, das zwischen den Zeilen mitschwingt. Gekonnt spannt die Autorin einen Bogen zum Folgeband, denn so manche Frage verlangt noch nach Antwort, und weist im Nachwort auf die erschreckenden, nur allzu offensichtlichen Parallelen zu unserer heutigen weltpolitischen Lage hin. 

Passend dazu habe ich zum Abschluss mein Lieblingszitat aus dem Werk für euch notiert:

"Ich versuchte, mir vorzustellen, in einer Zeit zu leben, in der man sich nicht auf Werte wie Recht und Ordnung stützen konnte, in der es keine Freiheit gab und schon gar keine Selbstbestimmung. Eine Zeit, in der man einfach so aus seiner Heimat vertrieben werden konnte, wenn es den Mächtigen gefiel. Enteignet, vertrieben, verfolgt. Was macht das mit den Menschen, wenn sie alles verlieren und immer wieder neu anfangen müssen? Und […] wie wirkt sich das auf die nachfolgenden Generationen aus?"

Ich würde ja gerne sagen: Gott sei Lob und Dank, dass diese schlimmen Zeiten vorüber sind. Dass die Menschen dazugelernt haben. Dass der Wunsch "Nie wieder Krieg!" auch Generationen später noch fest in unser aller Wesen verankert ist.

Aber wem will ich etwas vormachen … die Realität sieht leider anders aus.

Fazit:

Von mir gibt es eine Empfehlung für alle Fans von historischen Familienromanen. 

Band 2 ( "Die Melodie der neuen Zeit" ) erscheint im Dezember.