Sechs Koffer voller Geschichten von Verrat und Heimtücke
Bewertet mit 5 Sternen
Arrogant, schnöselig, besserwisserisch – das ist das Bild, das ich von Maxim Biller aus den Sendungen des Literarischen Quartetts hatte.
Gelesen hatte ich bislang noch nichts von ihm. Nach „Sechs Koffer“ muss ich sagen: wer so unglaublich gut schreibt, darf auch ruhig arrogant bis zum Gehtnichtmehr sein…
„Sechs Koffer“ ist randvoll mit Geschichten einer ungewöhnlichen jüdischen Familie nach dem zweiten Weltkrieg – voller Verrat, Missgunst, und Gerüchten. Keine 200 Seiten umfasst dieser Roman – bietet aber Stoff für einen großen 1000-Seiten-Roman… Und ich kann verstehen, warum Volker Weidermann ihn als „einen der besten Stilisten“ in einem Interview vorgestellt hat. Die Sprache ist einfach famos! Biller hat viel zu erzählen – und er entpuppt sich dabei als absoluter Meistererzähler!
Kern des stark autobiografischen Romans ist eine Art Thriller-Handlung.
Maxim Billers Großvater wurde in den 60er Jahren in der Sowjetunion in einem Schauprozess wegen Schwarzmarktgeschäften hingerichtet.
Jemand aus der Familie scheint ihn an den Geheimdienst verraten zu haben. Einer seiner vier Söhne? Eine seiner beiden Schwiegertöchter?
Der junge Maxim beginnt mit Nachforschungen und erfährt Dinge, die er vielleicht nie so genau wissen wollte. …
Für mich ist aber die heimliche Hauptperson Natascha, eine Tante von Maxim.
Sie überlebte den Holocaust und wirft sich nun voll ins Leben. Sie hat zahlreiche Liebhaber, kleidet sich immer nach der neuesten Mode und feiert erste Erfolge als junge Film-Regisseurin.
„Sechs Koffer“ ist so viel: ein Coming-of-Age-Roman, ein Familienthriller. Das Buch handelt von Antisemitismus, vom Leben in einer Diktatur, von schmutzigen Deals mit dem Geheimdienst, Verrat unter Brüdern, Flucht in den Westen… Das Buch dreht sich dabei auch um die Frage, wie frei ein Mensch in seinen Entscheidungen sein mag.
Dabei in einer unglaublich schönen Sprache mit viel (jüdischem?) Witz geschrieben.
Grandios!!!