Rezension

Sei eine glückliche Eintagsfliege

Wie man die Zeit anhält
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

Zitat:

 "Das war die alte Lektion der Zeit. Alles verändert sich, und nichts verändert sich." (S. 125)

 

Ein schon beinahe philosophisches Buch mit einem Hauch Melancholie. Schmerzlich schön und nachdenklich geschrieben. Kein leichtes Buch, ein Roman der nachhallt. Der Gedanken auslöst und dabei eine wichtige Botschaft enthält. Alles was uns letztlich bleibt ist die Menschlichkeit.

 

Haig hat ihr eine wunderbare Geschichte ersponnen, über einen Geschichtsprofessor, ein Mann der weit über die 400 Jahre alt ist. Dabei sieht er immer noch aus wie vierzig, denn Tom Hazard hat eine "Krankheit", er altert langsamer als normale Menschen, viel langsamer. Über die Jahrzehnte hinweg musste er sich immer wieder neu erfinden, von einem Ort zum anderen verschwinden. Sein wahres Alter ist sein Geheimnis, niemand darf davon wissen und dann gibt es da noch diese Regel:  Er darf sich nicht verlieben, denn Liebe ist gefährlich, sie ist schmerzhaft und so kommt es, dass Tom sich zurück zieht, wie ein Einsiedler lebt. Doch dann tritt Camille in sein Leben und sein Geheimnis scheint nicht mehr sicher zu sein.

 

Haig erschafft hiermit eine Geschichte, die sich mit der Zeit beschäftig. Zeit die uns auf der Welt gegeben ist und was wir damit anfangen. Das Buch ist kein spannungsgeladener Roman oder ähnliches, nein es ist ruhiger, dramatischer, die inspirierenden Überlegungen und das Philosophische machen es zu einem besonderen Roman. Ein Buch voll kluger Gedanken und Ideen.

Die Geschichte wird dabei aus Toms Sicht erzählt, schweift immer wieder ab in seine Gedanken und Ängste. Sorgen die er sich macht, die Dinge, die Menschen die ihn beschäftigen. Als Sahnehäubchen, als gutfungierte Effekte lernt der Leser Shakespeare,  Scott und Zelda Fitzgerald und auch unter anderem Chaplin kennen.

 

Zitat:

"Ich verabscheute meine Veranlagung. Sie machte mich einsam. Einsam auf eine Art, die durch die Seele heulte wie ein Wüstenwind. Mir fehlten nicht nur die Menschen, die ich gekannt hatte, sondern auch mein eigenes Ich. Der Mensch, der ich gewesen war, wenn ich mit ihnen zusammen war." (S. 43-44)

 

Haig schafft es den Leser in Toms Welt zu ziehen, indem er auch von seiner Vergangenheit berichtet. Wie eine kleine Zeitreise, begleitet man Tom durch die Jahrhunderte, fühlt seinen Schwermut und seine Ängste.

 

Gelungen fand ich auch die Metapher für den normalen Menschen: Eintagsfliege. Im Vergleich zu Toms Lebensspanne, ist es beinahe nur ein flüchtiger Moment. Also kostbar, jeder Augenblick ist wertvoll und kein Moment währt ewig.

 

Das Buch hat mich völlig in den Bann gezogen, ich wollte nicht, dass es endet.

Mich hat das Buch berührt, beeindruckt und ich sehe es als Highlight. Es ist ein wahrer Lesegenuss.

Auch die kleinen Details, die Gesten, die Art wie Haig seine Protagonisten beschreibt, lassen sie lebendig wirken. Es haucht ihnen Leben ein. Facetten, Vielfalt und Tiefe. Das hat mir gut gefallen.  Eine außergewöhnliche Geschichte von einem guten Autoren mit einer besonderen Beobachtungsgabe. Grandios.

 

Fazit:

Ahhh dieses Buch habe ich geliebt, es ist wahnsinnig toll geschrieben. Es ist klug. Traurig. Wunderschön. Alles gleichzeitig. Und dabei macht es Mut, verändert den Blickwinkel und lässt einen dennoch glücklich aber nachdenklich zurück. Dieses Buch lässt uns Menschen so klein erscheinen, die Zeit viel zu kurz und dennoch voller Möglichkeiten. Haig stellt unzählige Fragen, wirft Weisheiten in den Raum und lässt den Leser weiter denken. Klare Leseempfehlung.

 

Randnotiz:

Besonders ans Herz gewachsen ist mir Omai. Ein Mensch mit derselben "Krankheit" wie Tom. Die beiden werden zu Freunden. Ich mochte Omais Ansichten über das Mana, alles "in seiner Welt" war davon durchdrungen, ob Pflanzen, Tiere oder Menschen.

 

Zitat:

"Als ich dich zuerst sah, bist du nicht auf meinen Schatten getreten. Du warst nah. Aber du bist nicht darauf getreten. Das war ein Zeichen, ich konnte dir vertrauen. Das Mana in dir hat das Mana in mir respektiert."

(S. 328)

 

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