Rezension

Silvia Avallone - Bilder meiner besten Freundin

Bilder meiner besten Freundin -

Bilder meiner besten Freundin
von Silvia Avallone

Bewertet mit 5 Sternen

Es war ein bestimmtes Ereignis, das Elisa wenige Tagen vor Weihnachten dazu gebracht hat, die Geschichte niederzuschreiben und dafür ihre Erinnerungen, die sie so lange verdrängte, wieder heraufzubeschwören. Viele Jahre sind vergangen, doch nun ist es, als wenn all dies erst gestern geschehen wäre. Aus der alleinerziehenden Dozentin wird wieder das unsichere Mädchen, das neu in der Klasse ist und keinen Anschluss findet. Bis Beatrice sie als Freundin auswählt. Bea, das schönste Mädchen des Ortes, deren Mutter bereits auf zahlreichen Covern war und der selbst ebenfalls eine Karriere in der Modebranche bevorsteht. Eli und Bea könnten ungleicher kaum sein und doch entwickelt sich eine enge Freundschaft, die es nur der anderen erlaubt, hinter die familiäre Fassade zu schauen und die Abgründe zu sehen, die sich bei beiden auftun. Die Welt außerhalb des verschworenen Duos sieht nur das unscheinbare Mädchen, das sich in die Literatur flüchtet, und dazu das andere, das schon früh das Leben inszeniert und in der noch neuen online Welt zur Schau stellt. Doch etwas ist geschehen, dass das innige Band reißen ließ und sie für immer entfremdete.

 

Die italienische Autorin Silvia Avallone hat zunächst mit Gedichten auf sich aufmerksam gemacht, doch schon ihr erster Roman wurde vielfach ausgezeichnet. Auch ihre aktuelle Erzählung konnte Publikum wie Kritiker gleichermaßen begeistern. „Bilder meiner besten Freundin“ erzählt die Geschichte einer Freundschaft zweier ungleicher Mädchen, die sich zufällig finden und unzertrennlich werden. Es sind gleich zwei Mysterien, die die Geschichte überlagern: was hat sie entzweit und was hat dazu geführt, dass Elisa viele Jahre später plötzlich wie eine Besessene alles aufschreibt?

 

Es ist kurz nach der Jahrtausendwende, dass Elisa zu ihrem Vater ziehen muss und so Beatrices Klassenkameradin wird. Die Welten, in denen sie leben, könnten kaum unterschiedlicher sein. Elisas Vater ist der klassische intellektuelle Gelehrte, der den Alltagsdingen nur wenig Interesse entgegenbringen kann. Ihre Mutter hingegen ist unstet, emotional und mit der Kindererziehung überfordert. Nachdem Elisas älterer Bruder schon in eine Welt von Partys und Drogen abgedriftet ist, soll die Tochter in geordneten Verhältnissen aufwachsen und wird gegen ihren Widerstand umgesiedelt. Als die Fremde mit komischen Akzent ist sie ausgeschlossen und einsam. Bis Bea sie entdeckt.

 

Diese kommt aus gutbürgerlichem Elternhaus mit einer Mutter, die nur die Modellkarriere ihrer Tochter im Sinn hat. Leicht ist es auch für Bea nicht, der permanente Druck, die Erwartungen zu erfüllen, auf Gewicht und Äußeres zu achten, die beide keinen Ausrutscher verzeihen. Ein Schicksalsschlag wirft sie völlig aus der Bahn, doch Elisa fängt sie auf, ist wie eine Schwester für sie. Die Mädchen habe jedoch auch Geheimnisse voreinander und diese sind es, die letztlich zu dem Bruch und tiefer Enttäuschung führen.

 

Zugegebenermaßen konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, eine gewisse Ähnlichkeit zu Elena Ferrantes neapolitanischen Saga zu erkennen. Nicht nur die Freundschaft zweier geradezu gegensätzlicher Mädchen als zentrales Element, sondern auch der Erzählstil wirkte bekannt. Dies ist jedoch keineswegs so negativ zu bewerten, wie es klingen mag. Im Gegenteil, mit viel Begeisterung hatte ich die Tetralogie um Elena und Lila verfolgt und gleichermaßen hat mich die Geschichte von Elisa und Beatrice von der ersten Seite an gefesselt. Souverän erzählt, immer wieder überraschend, die beiden Protagonistinnen differenziert und vielseitig gestaltet – ein überzeugender Roman, in den man gerne abtaucht. Und er macht neugierig auf die Autorin, von der es jedoch in deutscher Übersetzung derzeit erst ein einziges Buch zu geben scheint.