Rezension

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spannender Jugendthriller macht sich stark gegen die Lynchjustiz im Internet

Singe, fliege, Vöglein, stirb - Janet Clark

Singe, fliege, Vöglein, stirb
von Janet Clark

“Singe, fliege, Vöglein, stirb” ist ein Jugendthriller, der sich durchaus auch der jugendlichen Sprache bedient. Ich weiß aus der Leserunde, dass der umgangssprachliche Stil nicht jedem gefallen hat. Janet Clark hat hier einen Kompromiss gefunden, weil es zwei Erzählstränge ging: zum einen die Geschichte von Ina, die ein Praktikum im Tierheim macht, die Leiche einer jüngeren Schülerin findet und in den Mordfall verstrickt wird. Dieser Erzählstrang ist in normalem Hochdeutsch geschrieben. Zum anderen wird die Geschichte aus der Perspektive von Aaron geschildert, Inas Freund. Er ist Hauptverdächtiger in dem Mordfall und hat einen eher umgangssprachlichen Ton drauf, z.B. “Eigentlich `n Witz. Endlich verlieb ich mich nach dem Fiasko mit Lennja wieder und schon steh ich mir aufs Neue die Füße vor diesem schiefen Schuppen platt.” Das war übrigens der erste Satz der Aaron-Perspektive. Ich fand die Perspektivwechsel sehr gelungen, weil man einfach zwei Zugänge zu der Geschichte bekommt. Die unterschiedliche sprachliche Gestaltung hebt das natürlich noch hervor und war für mich neu und interessant. Normalerweise ist ja das ganze Buch in einem Stil verfasst oder nur bestimmte Dialoge.

Die Geschichte selbst ist spannend erzählt und liest sich sehr flüssig. Man will die ganze Zeit wissen, wie es weiter geht, wer hat das Mädchen auf dem Gewissen und welche Verstrickungen ergeben sich noch. Daher flogen die Seiten nur so dahin. Janet Clark hat sich einige aktuelle Themen angenommen, z.B. Tierversuche, Internetplattformen (Facebook) und Cyber-Mobbing. Viele von uns wissen, dass Plattformen wie Facebook mit Vorsicht zu genießen sind, dass man überlegen soll, was man Preis gibt und dass Mobbing durchaus möglich wird. Aber welche Ausmaße das annehmen kann und wie dumm Menschen eigentlich wirklich sein können, das führt man sich leider nur selten vor Augen. In “Singe, fliege, Vöglein, stirb” wird sehr anschaulich beschrieben, wie über das Internet der Ruf von unschuldigen Menschen zerstört werden kann und zu welcher Lynchjustitz auch Menschen in unserer heutigen Zeit fähig sind. Denn auch wenn die Geschichte fiktiv ist, basiert sie auf einer wahren Geschichte. Sehr, sehr traurig.

Ich fand es sehr gut, dass dieses Thema verarbeitet wurde, auch wenn ich ab und an das Buch weglegen und wütend schnaufen musste. Das Einzige, was mir nicht so gut gefallen hat, war das viele Zweifeln. Inas Eltern zweifeln an ihr, Ina zweifelt an Aaron, Aaron zweifelt an Ina, Ina zweifelt an Lennja, Lennja und Janosch zweifeln an Ina und Aaron usw. Natürlich handelt es sich um ein Verwirrspiel und natürlich muss es spannend bleiben, aber eine Konstante hat mir in Sachen Vertrauen gefehlt.

Alles in allem ein spannender Jugendthriller, der mir vor Augen geführt hat, dass wir das Mittelalter und die Hexenverbrennung noch nicht ganz hinter uns gelassen haben und am Besten nicht mit dem Finger auf andere zeigen sollten!