Rezension

Stimmiges und spannendes Debüt!

Das stumme Kind - Michael Thode

Das stumme Kind
von Michael Thode

Wäre es ein platter Wortwitz, wenn ich sagen würde, „Das stumme Kind“ lässt mich sprachlos zurück? Ja, das wäre es! :) Daher formuliere ich es mal anders und sage, dass dieses Buch mich sehr überrascht hat und ich deshalb keine Worte finde! Da dies für eine Rezension aber eine denkbar ungünstige Ausgangsposition ist, möchte ich versuchen, euch ein bisschen was über dieses Buch erzählen. Aber nur nicht zu viel vom Inhalt, es macht viel mehr Freude, diesen Thriller selbst zu lesen!

Das stumme Kind, das namensgebend für den Debüt-Thriller von Michael Thode ist, heißt Anna, ist dreizehn Jahre alt und hat in ihrem ganzen Leben noch kein einziges Wort gesprochen. Anna ist Autistin. Und vermutlich die einzige Zeugin in einem Mordfall. Ihr Vater, der Kinderarzt Andreas Joost wird in einer Aprilnacht in seinem Haus in der Lüneburger Heide ermordet. Noch in der gleichen Nacht muss der Rechtsanwalt Thomas Wilke ebenfalls daran glauben, auch er wird tot aufgefunden. Beide Opfer weisen auffällige Verletzungen im Unterleib auf. Und beide Opfer kannten sich... Das Team rund um Hauptkommissar Rolf Degenhardt ermittelt unter Hochdruck, die wahren Hintergründe dieser Tat sind aber weitaus unvorstellbarer als es scheint.

Und ohne jetzt weiter auf den Inhalt eingehen zu wollen, nur so viel: Annas Autismus, der Plot der Kriminalhandlung und die Hintergrundgeschichte greifen so geschickt ineinander, dass es mir unglaublich schwer fällt, an dieser Stelle meine Klappe zu halten. Zu gern würde ich berichten, was genau mir hier so gut an der Grundidee gefallen hat, wie gut hier eine Thematik verarbeitet wurde, die man zunächst in der Art überhaupt nicht auf dem Schirm hat, aber dann würde ich einfach zu viel verraten. Deshalb weg vom Inhalt einen Blick auf das Drumherum geworfen.

Sehr gelungen fand ich zum Beispiel den Einsatz wechselnder Erzählmittel! Neben den kurzen Kapiteln, die die Spannung und das Tempo antreiben, sorgen wohl dosiert eingestreute Kurzmitteilungen, Briefe und E-Mails für ein zusätzliches Input neben dem „normalen“ Erzählstrang. Dazu erzeugt ein zweiter Handlungsstrang an einem anderen Schauplatz Abwechslung im Szenenbild und Rückblenden in die Vergangenheit peppen die Storyline zusätzlich auf. Gerade zu Beginn steigt der Leser mit einer angenehmen Verwirrung in die Handlung ein, die von der guten Art, die einen dazu verleitet, immer weiter lesen zu wollen. Der Spannungsbogen entwickelt dabei gerade in der ersten Hälfte eine tolle Sogwirkung!

Auch die Figuren erfüllen in ihrer Schlichtheit ihre Funktion. Nicht alle sind übermäßig tief ausgeformt, aber doch stark genug, um ihre Handlungen nachvollziehbar zu machen. Ein gutes Gleichgewicht, das in diesem Fall dazu beigetragen hat, die Geschichte nicht zu überladen. So wird die Traglast der Ermittlungen auf mehrere Kommissare verteilt, insgesamt fünf Polizeibeamte arbeiten an diesem Fall, zwei davon hat sich der Autor herausgepickt und beleuchtet sie etwas eingehender.

Neben dem Hauptkommissar Rolf Degenhardt, der wie gewohnt eine gescheiterte Ehe im Gepäck hat, ist das die Kommissaranwärterin Jana Liebisch. Jana belegt an der Polizeiakademie den Studiengang „Polizeivollzugsdienst“ und absolviert bei Degenhardt und seinem Partner gerade ein dreimonatiges Ermittlungspraktikum. Eine sehr spannende Rollenposition, auch für den geübten Krimileser! Und ich persönlich finde die Idee einfach großartig und hätte mir gewünscht, dass diese noch konsequenter verfolgt und stärker ausgebaut worden wäre. Denn gerade zu Beginn der Mordermittlungen ist ihre Rolle für den Leser sehr spannend, können doch so Details der Polizeiarbeit erklärt werden, ohne dass es den Handlungsfluss unterbricht. Leider wird diese spezielle Pole-Position nur für den Start genutzt, am Ende wird dieses Potential etwas vernachlässigt, weil die Figur für einen, in meinen Augen nicht zwingend notwendigen, Handlungsstrang aussortiert wird.

Nichtsdestotrotz macht dieses Buch aber einfach von vorne bis hinten unglaublich viel Spaß! Und die Auflösung lässt am Ende beim Leser eine kleine Gedankenschleife entstehen, die die Grundidee des Buches wie ein schönes Geschenk verpackt!

Fazit: Ein überraschend gutes und stimmiges Debüt, das durchweg spannend ist.
Einzig ein einzelner, kleiner Handlungsstrang mit zwei, drei Szenen erscheint mir überflüssig, aber wenn ich nichts zum Meckern finde, bin ich auch nicht glücklich, daher braucht man sich daran nicht weiter zu stören. Insgesamt überzeugt mich dieser Thriller mit seinem zügigen Erzähltempo, seiner konstanten Spannung und seiner Idee, ich konnte das Buch stellenweise einfach nicht weglegen und wurde bestens unterhalten!

Gesamteindruck: So dermaßen kurz davor, 5 Sterne zu bekommen! Mehr als lesenswert!!